Kalt kommt der Tod (German Edition)
Arzt. »Im Augenblick kann ich nur hoffen, dass ihr Körper über genügend Reserven verfügt, um die nächsten Stunden zu überstehen. Wir tun, was wir können, um ihn dabei zu unterstützen. Ihren Freund werden wir über Nacht zur Beobachtung hierbehalten. Ihm fehlt weiter nichts, er hat Erfrierungen ersten Grades und einen leicht unterkühlten Organismus davongetragen, da bleibt nichts zurück. Meinetwegen kann er morgen früh das Krankenhaus verlassen. Im Grunde haben die beiden großes Glück gehabt. Wenn Magnus sie nicht gefunden hätte, wären sie jetzt tot.«
Nachdem er auf den Stiefel gestoßen war, hatte der Trapper den Sysselmann alarmiert. Die Gruppe schwärmte aus und suchte die Gegend ab. Keine zehn Minuten später entdeckten sie Packer und Jenna in ihrer Schutzkuhle. Sie suchten auch nach den Skidoos, doch diese blieben auf mysteriöse Weise verschwunden.
Packer war die ganze Zeit bei vollem Bewusstsein gewesen. Er erinnerte sich an die Müdigkeit, die in seinen Körper geschlichen war, das Zittern, die unkoordinierten Bewegungen seiner schmerzhaft kribbelnden Hände und Füße. An die Retter, die ihm heißen, stark gezuckerten Tee aus einer Thermosflasche einflößten und ihn auf den Schlitten legten, eingerollt in drei warme Decken, sodass er sich kaum rühren konnte. An die besorgten Gesichter, die sich über Jenna beugten. Daran, wie sie Jenna vom Schnee befreiten und fünf Männer sie sehr, sehr vorsichtig hochhoben. Dann fuhr das Skidoo los, auf dem er lag, und er verlor Jenna aus den Augen.
Im Krankenhaus waren sie seinen Fragen nach Jenna ausgewichen. Alles, was er zu hören bekam, war: Man habe sie operiert, nun liege sie, betreut von einer Schwester, im Intensivzimmer, wo es alle erdenklichen Apparate gebe, um sie zu versorgen.
Er hatte gewartet, bis sein Körper wieder völlig durchgewärmt war, dann war er aufgestanden und hatte Hose und Pullover angezogen, die neben dem Bett auf einem Stuhl lagen, und jetzt stand er hier und hörte den medizinischen Erklärungen des Arztes zu.
»Die Flugbereitschaft gibt uns Bescheid, sobald sich das Wetter bessert«, sagte der Arzt. »Die Piloten bleiben über Nacht am Flughafen.«
Packer ließ ihn reden. Er drehte sich um und machte sich auf den Weg zu den Krankenzimmern, die sich im Erdgeschoss befanden. Oben waren die Praxen und Warteräume für die Fachärzte, die in regelmäßigen Abständen vom Festland herüberkamen, um sich die Augen und Zähne der Insulaner anzusehen.
Eine Schwester, die Packer auf das Intensivzimmer zusteuern sah, hielt ihn auf. Sie war sehr jung und hatte einen Porzellanteint und dunkle Augenränder.
»Was haben Sie vor?«
»Einen Krankenbesuch machen«, sagte er und versuchte, ein verbindliches Lächeln hinzukriegen.
»Sie sollten im Bett sein.«
»Ich fühle mich großartig.«
»Sind Sie mit der Person verwandt?«
»Person?«
»Patientin. Gehören Sie zur Familie?«
»Sollte ich?«
»Nur engste Angehörige haben hier Zutritt.«
»Kann ich für zehn Minuten nicht ein Angehöriger sein?«
Packer sah das Zögern in ihren Augen, sagte: »Danach sind Sie mich los, Ehrenwort. Ich habe gehört, meine Freundin wird sterben. Bitte, geben Sie mir zehn Minuten, damit ich mich von ihr verabschieden kann, bitte.«
»So weit ist es noch nicht.«
»Sie sind die Einzige, die das für uns tun kann.«
Ihr Zögern wich der Erkenntnis, dass sie zwei Menschen, die sich nahestanden, einen vielleicht letzten Gefallen erweisen konnte. Also gut.
»Sie müssen sich umziehen. Schutzkittel, Maske, Überschuhe, Kappe, Gummihandschuhe.«
Packer nickte.
»Kommen Sie mit. Was wir brauchen, habe ich hinten im Aufenthaltsraum. Und Sie versprechen, sich anschließend wieder hinzulegen?«
»Gut möglich«, sagte Packer.
»Waren Sie schon mal auf einer Intensivstation?«
»Ich wusste nicht, dass dies eine ist.«
»Nur eine improvisierte. Sie wissen, was einen auf der Intensiv erwartet?«
»Nein.«
»Es ist eine eigene Welt, beängstigend für jemanden, der sie zum ersten Mal betritt. Manche halten das nicht lange aus.«
»Als Besucher hab ich die Wahl, zu gehen, wenn’s genug ist, für Jenna sieht die Sache anders aus.«
Einige Minuten später betraten sie Jennas Zimmer, und die Schwester gab ihrer Kollegin, die bei Jenna Wache hielt, zu verstehen, dass sie gehen konnte.
Jenna lag in einem weiß lackierten Krankenbett. Ein blinkender Monitor neben dem Bett zeigte ihre Vitalwerte an.
»Zehn Minuten«, sagte die Schwester zu
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