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Kalt kommt der Tod (German Edition)

Kalt kommt der Tod (German Edition)

Titel: Kalt kommt der Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Sprado
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Frauen erwarteten.

54
    Um acht Uhr morgens brach der Sysselmann von seinem Amtssitz mit sieben Männern und Frauen und fünf Skidoos auf, um den Fundort der Leiche in Augenschein zu nehmen, wo er auch den Vietnamesen und seine deutsche Freundin vermutete. Wohin sonst konnten sie wollen, wenn sie sich dafür interessierten, was aus Carolin Riesenberg, der Freundin und Kollegin von Sylvia Brustedt, geworden war?
    Magnus Gahr, der Trapper, führte die Gruppe an. Er litt unter höllischen Kater-Kopfschmerzen und war noch übler gelaunt als gewöhnlich. Ingrid Yitterdal, die Polizeichefin, hatte ihn wieder mal ermahnt, mit der Sauferei endlich aufzuhören, als sie ihn beim Hotel einsammelten, aber was sollte sie machen? So, wie er immer noch nach dem Alkohol des Vorabends gestunken hatte, hätte sie ihn eigentlich pusten lassen müssen, doch wenn sie darauf bestanden hätte, hätte sie ihn ebenso gut gleich ins Gefängnis stecken können, mit einer Geldstrafe wäre er dann nicht mehr davongekommen.
    Sie brauchten seine Hilfe, also drückte sie beide Augen zu und nahm ihn widerwillig mit.
    Sie fuhren hintereinander, mit ausreichend Sicherheitsabstand, und doch so aufgerückt, dass sie sich im Licht der Scheinwerfer im Auge behielten.
    Magnus hatte nur ein einziges Ziel: so schnell wie möglich nach Hause kommen und sich wieder hinlegen.
    In jenem Teil von Spitzbergen, zu dem sie unterwegs waren, kannte er sich aus wie ein Tuareg in der Sahara. Er folgte seinem inneren Kompass und den Wegzeichen der Landschaft, die er verinnerlicht hatte wie ein Grundschüler das ABC.
    Auf der Hälfte der Strecke begann es zu schneien, trostlos und ununterbrochen. Das Schneegestöber zwang sie, die Geschwindigkeit zu drosseln. Bald fuhren sie nur noch Schritttempo. Und der Sturm wurde stärker.
    Ingar Elmgreen erwog, die Suche abzubrechen, der Sysselmann wollte nicht auch noch das Leben seiner Begleiter aufs Spiel setzen, nur um sich einen Tatort anzusehen und nach zwei Touristen zu suchen, die selbst schuld waren, wenn sie in Schwierigkeiten steckten. Doch seine Verantwortung wog schwerer, und so tasteten sie sich weiter durch die Dunkelheit und hielten immer wieder an, um ihre Schutzbrillen vom Schnee zu säubern.
    Im diffusen Scheinwerferlicht steuerte Magnus tief in den Mondschatten einer Steilwand. Beinahe wäre er gegen den Bären gefahren, der am Abend zuvor noch nicht da gelegen hatte. Er stieg ab, untersuchte das tote Tier und brüllte gegen den tosenden Wind: »Das könnten die gewesen sein, hinter denen wir her sind. Sie haben ihn erschossen. Eine Kugel. Mitten ins Auge und dann glatt durch den Kopf. Wer das getan hat, versteht mit dem Gewehr umzugehen, so viel ist sicher.«
    »Verdammte Sauerei!«, fluchte der Sysselmann. »Ich hab gewusst, dass sie Ärger machen. Na los, werfen wir den Bär auf den Schlitten, ich will zurück in Longyearbyen sein, ehe der Sturm richtig böse wird.«
    »Wer kriegt das Fell?«, fragte Magnus.
    »Kannst du behalten, betrachte es als Belohnung für deine Hilfe. Den Papierkram erledigen wir zu Hause.«
    Ein paar Männer halfen dem Trapper, den mächtigen Kadaver auf seinen Zugschlitten zu wuchten. Elmgreen trieb sie zur Eile an.
    55
    Die Kolonne setzte sich wieder in Bewegung, schlängelte sich an Hügeln vorbei und kroch einen Hang hinauf. Oben angekommen, drückte der Trapper aufs Gas und raste mitsamt dem Bären auf der anderen Seite hinunter. Unten verlangsamte er das Tempo, drehte eine kleine Runde und hielt an. Der Sysselmann stellte sich mit seinem Skidoo neben ihn.
    »Genau hier«, sagte Magnus Gahr, »hat die Frau gelegen.« Er deutete auf zwei nackte Steinbrocken zu ihren Füßen. »Zwischen diesen beiden Spitzfelsen. Unter dem Neuschnee wirst du alles finden, was du sehen willst.«
    »Und was genau ist das?«
    »Roter Schnee.«
    »Gut.«
    »Ich frage mich allerdings, was du damit anfangen willst«, meinte Magnus kurz angebunden und zeigte damit einen seltenen Anflug von Humor.
    Der Sysselmann gab das Zeichen zum Absitzen, die Motoren ihrer Skidoos ließen sie laufen.
    »Und wo, was glaubst du, Magnus, sind die beiden Deutschen hin?«, fragte er.
    »Bin ich ein Medium?«
    »Du könntest versuchen, eins zu sein.«
    »Das liegt mir nicht.«
    »Schau dich mal ein bisschen um, während wir hier alles Nötige erledigen. Vielleicht findest du was.«
    »Und was genau soll das sein?«
    »Wir machen ein paar Fotos und schaufeln anschließend den Schnee und das Eis und die Steine, die zum

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