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Kalt wie Stahl - Der 3 Joe Kurtz Thriller

Kalt wie Stahl - Der 3 Joe Kurtz Thriller

Titel: Kalt wie Stahl - Der 3 Joe Kurtz Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Schritt zurückgehen, wenn sich die Tür öffnete, um zu zeigen, wie höflich er war, wie unaggressiv. Ein uralter Vertretertrick.
    Doch die Frau kam nicht an die Tür. In den Instruktionen hieß es, dass sie samstags allein zu Hause war, außer ihr Freund hatte bei ihr übernachtet. Der Dodger war auf alle Möglichkeiten vorbereitet. Er klopfte erneut und hörte auf zu pfeifen, um das bewaldete Grundstück und den Ausblick vom Hügelkamm zu betrachten, als würde er beides selbst an einem so kalten und wolkigen Oktobertag bewundern. Die Luft roch nach feuchten Blättern.
    Als sie auf sein drittes Klopfen nicht reagierte, spazierte er um das Gebäude herum, wobei er so tat, als würde er das Fundament inspizieren. Auf der Rückseite befand sich eine Glasschiebetür mit billigem Holzrahmen. Er klopfte laut gegen die Scheibe, trat wieder einen Schritt zurück und setzte ein verbindliches Lächeln auf, aber wieder kam keine Reaktion. Das Haus vermittelte diese Atmosphäre von Leere, die er aus seiner Erfahrung gut kannte.
    Der Dodger holte ein Multifunktionswerkzeug aus der Tasche seines Overalls und knackte das Türschloss innerhalb von zehn Sekunden. Er ging hinein, rief mehrmals »Hallo?« in die Stille, dann schlenderte er durch das achteckige Farmhaus.
    Die Frau – Randi Ginetta – war Anfang 40, Englischlehrerin an der High School und lebte allein, seit ihr einziges Kind, ein Sohn, im letzten Jahr nach Ohio aufs College gegangen war. Sie bekam Unterhalt von ihrem früheren Mann, aber sie traf sich mittlerweile mit einem anderen Lehrer, einem netten Italiener. Und Randi war heroinsüchtig. Jahrelang hatte Randi – der Dodger fragte sich, was das für ein Name war, »Randi«, das klang mehr nach einer Kellnerin in einer Cocktailbar als nach einer Lehrerin – jahrelang hatte Randi Kokain genommen und ihren Kollegen und Schülern ihre ständig laufende Nase mit einer Allergie erklärt. Aber vor drei Jahren hatte sie Heroin für sich entdeckt und großen Gefallen daran gefunden. Sie bezog es immer von der gleichen Quelle, einem schwarzen Junkie auf Gonzagas Lohnliste im Stadtteil Allentown in Buffalo. Randi hatte den Dealer und Junkie kennengelernt, als sie ehrenamtlich bei einem innerstädtischen Obdachlosenprogramm mitgearbeitet hatte. Der Dodger hatte den Junkie noch nicht besucht, aber er stand auf der Liste.
    Er wanderte von Zimmer zu Zimmer, das Kampfmesser in der Hand, die Klinge noch eingeklappt. Diese drogensüchtige Lehrerin stand auf grelle Farben. Jede Wand war in einem anderen Ton gestrichen – blau, rot, hellgrün –, und die Möbel bestanden aus schwerem Eichenholz. Ein riesiger Kristall lag auf dem Boden neben der Haustür. New-Age-Typ, dachte der Dodger. Reisen nach Sedona, um Energiequellen anzuzapfen, mit Indianergeistern zu kommunizieren und ähnliche Scheiße. Der Dodger riet das nicht nur. Es hatte alles in den Instruktionen vom Boss gestanden.
    Es gab viele Bücher, einen Schreibtisch mit einem Mac und Stapeln von Klassenarbeiten, die offenbar darauf warteten, korrigiert zu werden. Aber Miss Randi war nicht besonders ordentlich – Jeans, Pullover, BHs und Slips lagen in ihrem Schlafzimmer und im Bad herum. Der Dodger kannte eine Menge Perverse, die diese Seidenwäsche jetzt aufgehoben, vielleicht sogar daran geschnuppert hätten, aber er war kein Perverser. Er war hier, um einen Job zu erledigen. Der Dodger ging zurück durch das achteckige Wohnzimmer in die enge Küche.
    Ein Schnappschuss von Randi und ihrem Sohn – er erkannte sie von dem Foto, das man ihm gezeigt hatte – klebte am Kühlschrank, außerdem eine Aufnahme von der Lehrerin mit ihrem Freund. Sie war eine scharfe Braut, keine Frage. Er hoffte, sie würde bald nach Hause kommen, und zwar allein, aber als er sich noch mal das Foto von ihrem Freund ansah – so ernsthaft und mit Silberblick –, änderte der Dodger seine Meinung und hoffte, dass sie zusammen zurückkamen. Er hatte Pläne für beide.
    Der Dodger zog Latexhandschuhe an, schaltete die Kaffeemaschine ein, wühlte im Schrank, bis er das Pulver gefunden hatte – Starbucks –, und kochte sich eine Tasse. Sie würden den Kaffee riechen, wenn sie zur Tür hereinkamen, aber das war egal. Ihnen blieb keine Zeit, um zu reagieren. Er steckte das Messer weg und legte die Beretta Elite II auf den runden Holztisch, als er trank. Er würde die Tasse gut ausspülen, um alle DNA-Spuren zu beseitigen, wenn sie leer war.
    Der Dodger entschied, noch eine halbe Stunde zu warten.

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