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Kalt

Kalt

Titel: Kalt
Autoren: Dean R. Koontz
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zu knallen wie mit einer Peitsche, bis ihm das Hirn aus den Augenhöhlen trat. Ihre Auftritte hatte sie zwar in Clubs im ganzen Land, verbrachte aber eine Menge Zeit in Texas, New Mexico, Arizona und Nevada, um in Kontakt mit der Kultur zu bleiben, die sie geprägt hatte, um ihr Bühnenimage zu schärfen und ihre Show vor einem Publikum mit Cowboystiefeln zu testen, das jede treffende Beobachtung mit Juchzern quittierte, sie jedoch von der Bühne gebuht hätte, hätte sie versucht, Ketchup als Salsa auszugeben oder ihre Zuschauer mit irgendwelchen professionellen Tricks hinters Licht zu führen. Die Autofahrten zwischen solchen Auftritten halfen ihr dabei, ein echtes Geschöpf de s s andigen Südwestens zu bleiben, und obwohl sie das dürre Ödland und den weiten Blick über Flächen voller Silberblattsalbei liebte, wusste sie auch, wieso die bedrohliche Leere der Wüste einen so leer lächeln lassen konnte wie eine Stoffpuppe und einen dazu bringen konnte, sich mit einem imaginären Begleiter über den Tod und Erdnüsse zu unterhalten.
    Die Automaten in der Nische boten drei Sorten Cola light und drei Sorten kalorienarmer Zitronen- beziehungsweise Orangenlimonade feil, doch was Malzbier betraf, hatte Jilly die Wahl zwischen Abstinenz und dem vor Zucker strotzenden Original, das die ideale Voraussetzung für einen Riesenhintern war. Mit der Hingabe einer spielsüchtigen Oma, die einen einarmigen Banditen fütterte, steckte sie Vierteldollars in den Schlitz, und während nacheinander drei Dosen ins Entnahmefach klapperten, murmelte sie ein Ave-Maria, nicht um eine Bitte bezüglich ihrer Physis anzubringen, sondern bloß, um sich im Himmel ein wenig Wohlwollen zu verschaffen.
    Drei Getränkedosen und einen randvoll mit Eiswürfeln gefüllten Plastikkübel in den Händen, begab sie sich auf den kurzen Rückweg zu ihrem Zimmer. Die Tür hatte sie offen gelassen, weil sie schon damit gerechnet hatte, bei der Rückkehr keine Hand mehr frei zu haben.
    Sobald sie eine Dose Malzbier geöffnet hatte, würde sie ihre Mutter in Los Angeles anrufen müssen, um mit ihr einen guten, ausgiebigen Mutter-Tochter-Schwatz über den Fluch des Familienhinterns und über das neueste Material für ihr Programm zu halten, außerdem darüber, wer in der Gegend in letzter Zeit angeschossen worden war und ob der Ableger von Fred in Mutters guter Pflege weiterhin gedieh, ob Fred der Klon genauso süß war wie Fred der Erste …
    Als sie mit der Schulter die Tür aufdrückte, fiel ihr natürlich als Erstes Fred ins Auge, der im farbigen Chaos des clownesken Interieurs einen Hauch heiterer Gemütsruhe verbreitete. Und dann sah sie in Freds Schatten auf dem Tisch die Dose Cola , perlend von eisigem Kondenswasser, und die drei Tüten Erdnüsse.
    Einen Sekundenbruchteil später erblickte sie die offene schwarze Tasche auf dem Bett. Der lächelnde Vertreter hatte sie in der Hand getragen. Wahrscheinlich war sie sein Musterkoffer.
    Eine echte Amazone des Südwestens, die Schlangen schwang und Sand auf den Zähnen hatte, musste mental wie physisch flink sein, um mit liebeskranken Tresen-Cowboys umgehen zu können, egal, ob sie mit Lone-Star-Bier abgefüllt oder unerklärlicherweise nüchtern waren. Tatsächlich konnte Jilly selbst den hartnäckigsten Weidecasanova so rasch und wirksam abwimmeln, wie sie Westernswing tanzte, und ihre Sammlung von Swing-Trophäen füllte bereits eine ganze Vitrine. Aber obwohl sie die Gefahr erkannte, als sie gerade einmal zwei Sekunden in ihrem Motelzimmer war, konnte sie nicht schnell genug reagieren, um sich vor dem Vertreter zu retten. Er kam von hinten auf sie zu, nahm sie an der Gurgel in die Klemme und presste ihr ein Tuch aufs Gesicht. Der weiche Stoff stank nach Chloroform oder Äther, möglicherweise war es auch Lachgas. Da Jilly keine Spezialistin für Betäubungsmittel war, konnte sie weder Sorte noch Jahrgang identifizieren.
    Sie befahl sich, nicht zu atmen, und wusste, sie hätte ihrem Angreifer fest auf einen seiner Füße stampfen und einen Ellbogen in den Magen rammen sollen, aber der erste Augenblick, als sie das Tuch auf Mund und Nase gespürt und erschrocken nach Luft geschnappt hatte, wurde ihr zum Verhängnis. Als sie den rechten Fuß heben wollte, war der wacklig und schien sich vom Knöchel zu lösen. Außerdem konnte sie sich nicht mehr daran erinnern, wo sich ihre Ellbogen befanden und wie sie funktionierten. Statt nicht zu atmen, holte sie wieder Luft, um einen klaren Kopf zu bekommen, und
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