Kalt
böse sein. «
Jilly warf Dylan einen kurzen Blick zu, dann sah sie wieder Shep an. » Darfst du wirklich böse sein? «, fragte sie ihn.
» Ein winziges bisschen. «
» Ein winziges bisschen? «
» Ein winziges bisschen. «
Lanterns Wimpern waren mit gefrorenen Tränen verkrustet. Obwohl ihm ständig Wasser aus den Augen floss, sah Jilly darin ein Gefühl der Schuld, als er sagte: » Ein wenig davon könnte nützlich sein. Manchmal, wenn das Böse stark genug ist, ist es sogar das Richtige, ihm entschieden ein Ende zu bereiten. «
» Okay «, sagte Shep.
Einen Moment schwiegen alle.
» Okay? «, fragte Shep.
» Nachdenken «, sagte Dylan.
Aus dem leblosen Himmel rieselte Schnee, der anders als aller Schnee aussah, den Jilly je gesehen hatte. Es waren keine flauschigen Flocken, sondern nadelspitze weiße Körnchen, reine Eispartikel.
» Zu viel «, sagte Shep.
» Zu viel was, Schatz? «
» Zu viel. «
» Zu viel was? «
» Nachdenken «, sagte Shepherd. » Kalt «, verkündete er schließlich und faltete sie alle – ohne Proctor – zurück an den Lake Tahoe.
49
Der Schokolade Kirschkuchen mit dunkler Schokoladenglasur, den sie verzehrten, während sie um die Theke in der Mitte von Parish Lanterns Küche standen, war allen Trost und Belohnung. Jilly kam er zudem so vor wie das Symbol einer seltsamen Gemeinschaft. Den Blick auf die Teller gerichtet, aßen sie schweigend und hielten sich damit an die Tischmanieren von Shepherd O ’ Conner.
So, nahm Jilly an, musste es sein.
Das Haus war sogar noch geräumiger, als es von außen gewirkt hatte. Als Parish die drei Gefährten in den ausgedehnten Gästeflügel begleitete und ihnen die zwei für sie vorbereiteten Schlafzimmer zeigte, sah es so aus, als könnte er problemlos eine ganze Busladung unangemeldeter Gäste beherbergen.
Nach ihrer Rückkehr vom Nordpol war Jilly zwar erschöpft und hatte erwartet, den restlichen Nachmittag und den frühen Abend zu verschlafen, aber nach dem Kuchen fühlte sie sich nun wach, munter und energiegeladen. Sie fragte sich, ob sie nach Abschluss der Veränderungen, die sie durchmachte, womöglich ein geringeres Schlafbedürfnis haben würde.
An beide Schlafzimmer schlossen sich große, opulent ausgestattete Badezimmer an, die ganz in Marmor gehalten waren und vergoldete Armaturen aufwiesen. Es gab hier eine Dusche, eine gesonderte Wanne, falls man ein entspannendes Bad nehmen wollte, und als kleine, luxuriöse Krönung auch noch geheizte Handtuchhalter. Jilly gönnte sich eine lange, genüssliche Dusche und machte sich anschließend mit der trägen Selbstvergessenheit einer Katze daran, sich zu bürsten und hübsch zu machen.
Parish hatte offenbar alles darangesetzt, Jillys Vorlieben bis ins letzte Detail vorherzusehen, vom Shampoo über die Seif e b is hin zu Make-up und Eyeliner. Teils hatte er die richtige Wahl getroffen, teils nicht, aber meist hatte er richtig gelegen. Seine Fürsorglichkeit war bezaubernd.
Erfrischt und wieder hergerichtet, fand Jilly den Weg vom Gästeflügel zurück ins Wohnzimmer. Während dieses Spaziergangs verstärkte sich ihr Eindruck, dass die warme und gemütliche Atmosphäre den Besucher davon abhielt, die wahren Ausmaße des Hauses wahrzunehmen. Trotz der modernen und doch weichen, romantischen Linien, trotz der Fenster und Höfe, die sich der Natur öffneten, besaß die Architektur einen zutiefst geheimnisvollen Charakter. Da, wo es eigentlich nicht so aussah, schottete sie sich von der Welt ab, und wo sie sich am meisten zu entblößen schien, barg sie Geheimnisse.
Auch das war so, wie es sein sollte.
Vom Wohnzimmer trat Jilly auf die vorspringende Terrasse, die der Architekt auf magische Weise hoch zwischen die duftenden Kiefern gehängt hatte, um einen atemberaubenden Blick auf den See zu bieten.
Wenig später trat Dylan zu Jilly ans Geländer. Schweigend standen die beiden da, verzaubert von der Landschaft, die im Licht des späten Nachmittags wie ein Bild des neoklassizistischen Malers Maxfield Parrish leuchtete. Die Zeit zu reden war einerseits vorüber, andererseits noch nicht gekommen.
Parish hatte sich im Voraus dafür entschuldigt, ihnen nicht den Service bieten zu können, den seine Gäste gewöhnlich genossen. Als ihm klar geworden war, dass die Injektion mit Nanomaschinen ihn von Grund auf verändern würde, hatte er vier seiner Hausangestellten eine Woche freigegeben, um die Metamorphose in Ruhe über sich ergehen lassen zu können.
Nur Ling, der Butler,
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