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Kalte Haut

Kalte Haut

Titel: Kalte Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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baby, from dusk till dawn.
    »Wenn es so bleibt, kann Tony den Laden für den Rest der Nacht allein schmeißen. Dann können wir uns nachher gerne verdrücken.« Gerry zwinkerte, und die Narbe an seiner Schläfe tanzte.
    Sera hätte jetzt gerne die kleine Hautfalte berührt, mit den Fingern die feinen Verästelungen nachgezeichnet, das pulsierende Blut in ihnen gespürt, das Leben, die Wärme, die Nähe. Stattdessen leerte sie ihre Kaffeetasse, und ihr Blick glitt über die anderen Gäste. Niemand nahm Notiz von ihr. Schön. Sie stand auf und schlich die Treppenstufen hoch in Gerrys Wohnung. Wie immer würde er erst frühestens nach einer halben Stunde folgen.
    Sera musste eingenickt sein, denn plötzlich war da wieder die junge Frau am Fluss. Wellen schlugen über ihrem Kopf zusammen. Du kannst ihr nicht helfen. Mit Macht trat der Fluss über seine Ufer. Wellen türmten sich auf, höher und immer höher. Du musst dir selbst helfen . Die Frau verschloss die Augen vor den Wassermassen …
    Als Sera ihre wieder öffnete, lag Gerry neben ihr. Was für ein blöder Traum! Er zerfiel zu einem diffusen Dunst aus Kneipe, Bier und Zigaretten. Er störte sie nicht mehr, auch nicht, als Gerry sie küsste. Das prickelnde Gefühl, als seine Zunge sich zwischen ihre Lippen bohrte, war ein guter Beweis dafür, dass der Traum zu Ende war. Doch als sich seine Hand auf ihre Brust legte, zuckte sie zusammen.
    »Was ist los?«
    »Ich habe mich gestern gestoßen.«
    »Lass sehen.« Er hob ihren Pulli an und betrachtete die Prellung zwischen ihren Brüsten. »Autsch, das sieht übel aus.«
    Dann bist du noch nie bei Dr. Wittpfuhl gewesen. »Ist nicht so schlimm.«
    »Na, ich weiß nicht …«
    Sie nagte an ihrer Unterlippe. »Ich glaube, oben ist heute tabu für dich.«
    »Damit kann ich leben. Andere Dinge reizen mich viel mehr …«
    »Ach ja? Davon merke ich aber wenig.«
    »Doch, ehrlich. Ich mag …« Er neigte den Kopf, während er auf sie hinabsah. Seine Finger glitten über ihre Wangen. Wie eine Katze räkelte sie sich der Berührung entgegen. »Zum Beispiel die Fältchen um deine Augen.«
    »Und ich mag das blaue Auge, das ich dir gleich schlage.« Sie grinste.
    »Nein, ehrlich, sie gefallen mir.«
    »Du stehst auf alte, runzelige Frauen?«
    »Nein, auf erfahrene. Wusstest du das nicht? Falten zeugen von Klugheit. Meine Mutter zum Beispiel …«
    »Deine Mutter?«, japste Sera. »Vergleichst du mich jetzt etwa mit deiner Mutter?«
    »Manchmal erinnerst du mich an sie.«
    »Na toll!« Gerry verglich sie also mit seiner Mutter. Und du vergleichst ihn mit deinem Vater. Gerechtigkeit musste sein.
    Gerry lachte. »Vielleicht liebe ich dich ja deshalb so sehr.«
    Heute erhob Sera keinen Einspruch. Stattdessen schloss sie die Augen. Und wer fragt nach meinen Wünschen?
    Durch die Dielenbretter erklang von unten Robbie Williams. That echoes in your ear. Saying love will stop the pain. Saying love will kill the fear.
    »Wie war es bei deinem Vater?«, fragte Gerry.
    »Reden wir lieber nicht davon.«
    Als sie die Augen wieder öffnete, sah Gerry sie erwartungsvoll an. Erneut dachte sie: Wie gut er mich kennt. Denn tatsächlich war es genau das, was sie in diesem Moment wollte: mit jemandem darüber sprechen. Diesmal sperrte sie sich nicht gegen das Gefühl der Vertrautheit, sog es stattdessen in sich auf wie ein Kraftfeld. Es vertrieb ihre Müdigkeit, ließ sie den Schmerz, die Zweifel, das schlechte Gewissen und sogar Onkel Mergim vergessen. Sie lachte, während sie Gerry von der Begegnung mit Ilhami erzählte.
    »Muss ich mir jetzt Sorgen machen?«, fragte Gerry. »Sieht er gut aus?«
    »Nicht nur das. Er ist außerdem Ingenieur und sehr erfolgreich.«
    »Als wenn es darauf ankommt.«
    »Für meine Eltern schon.«
    »Und für dich?«
    Für mich? Für Sera war alles furchtbar kompliziert. Irgendwie … entscheidet dein Vater am Ende doch über deine Zukunft. Sie rutschte näher an Gerry heran, schmiegte sich an seine Schulter. Gerrys Hand streichelte ihren Rücken. Der Pullover knisterte unter seinen Fingern.
    »Was mir aufgefallen ist«, sagte er, »du bist heute richtig farbenfroh gekleidet.«
    »Gefällt dir das Rot?«
    »Unbedingt.«
    Sera knöpfte ihre Jeans auf. »Dann bin ich gespannt, was du zu meiner Unterwäsche sagst.«

75
    Robert drehte sich erstaunt zu seinem Bruder um.
    »Deine Wohnungstür stand offen«, entschuldigte sich Max.
    Robert sah zur Tür. Jetzt war sie zu.
    »Soll ich sie wieder öffnen?«, bot Max an. Im

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