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Kalte Haut

Kalte Haut

Titel: Kalte Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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selbst diesen Gedanken nicht in Erwägung gezogen hast?«
    »Ja.«
    »Warum eigentlich nicht?«
    Robert schwieg.
    »Weil es Tania ist?«
    »Max, bitte!«
    »Glaubst du nicht, dass der Fall dadurch für dich irgendwie, nun, persönlicher geworden ist?« Max streckte den Rücken durch, was ihn gleich einen Kopf größer erscheinen ließ. Er schaute auf Robert hinunter. »Selbst wenn, Zweifel gehören zu deiner Arbeit.«
    »Du brauchst mir meinen Job nicht zu erklären.«
    »Vielleicht doch, wenn du deinen Job nicht richtig machst.« Max ballte die Hände zu Fäusten. »Wie gut kennst du Tania?«
    »Ich war …«
    »… drei Jahre mit ihr zusammen, ja, das ist mir bekannt.« Max vergrub die Fäuste in den Manteltaschen, ein deutliches Zeichen, dass er sauer war. »Aber dann hat sie dich verlassen. Okay, sie hat Stein und Bein geschworen, dass es keinen anderen Mann gegeben hat, aber was habe ich dir immer gesagt? Und du wolltest nichts davon hören. Stattdessen hast du Reißaus genommen und bist in die USA verschwunden.«
    Aus der Hi-Fi-Anlage erscholl Die Frau ohne Schatten . Triefäugige Weiber, die Sprüche murmeln, keifte eine dunkle, raue Stimme, haben nichts zu schaffen mit meinem Leib.
    Max nickte grimmig. »Wer sagt dir, dass dieser Herzberg nicht der Typ ist, mit dem sie dich damals betrogen hat? Und ihn wiederum mit Lahnstein? Eine dieser Dummheiten, die sie begangen hat?«
    Robert presste die Lippen aufeinander. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie uns etwas verschweigt.
    »Und jetzt? Was glaubst du jetzt? Dass, nur weil sie dir in einem Anflug von Reue ihre Dummheiten gestanden hat, alles zwischen euch wieder in Ordnung ist?«
    »Darum geht es doch gar nicht.«
    »Sondern?«
    Robert wollte seinem Bruder von Nadine erzählen, dem Abendessen mit ihr, dem warmen Gefühl der Vertrautheit, das er in ihrer Anwesenheit verspürte. Und dass Tania keine Rolle mehr spielte. Das ist vorbei! Nur – warum fiel ihm dann das Naheliegende nicht ein?
    »Siehst du!«, brummte Max und erhob sich vom Sofa. »Genau das meine ich!«
    Obwohl er die Tür nicht ins Schloss fallen hörte, wusste Robert, dass Max die Wohnung verlassen hatte. Das Glas mit dem Orangensaft hatte er nicht angerührt, sich nicht einmal eine Stulle mit Wurst geschmiert. Es war fast, als wäre er nie da gewesen. Nur seine Worte hingen noch im Raum, zornig untermalt von der Opernarie.
    Robert räumte alles in die Küche, bevor er sich zu Bett begab. Er zog die Decke bis ans Kinn und knipste das Licht aus.
    Max mochte die Klassik, seine Violine, die Deutsche Oper haben, aber dies, die Analytik eines Mordes, war Roberts Talent. Du darfst dich nur nicht davon ablenken lassen.

Online-Ausgabe der Berliner Zeitung, 15. April
    Polizei schweigt im Mordfall Lahnstein – aber die Sorge wächst:
    Schlägt der Mörder bald wieder zu?
     
    Von Harald Sackowitz
     
    Berlin. Zwei Tage nach dem schrecklichen Mord an Frank Lahnstein (29), Sohn des Berliner Innensenators Dr. Lothar Lahnstein, hat die Polizei offenbar eine heiße Spur: Der Mörder soll ein Einzeltäter sein.
     
    Kriminalhauptkommissarin Sera Muth, leitende Beamtin der SOKO, erklärte: »Wir gehen einigen Hinweisen nach.« Aus ermittlungstaktischen Gründen könne man aber noch keine Einzelheiten bekannt geben, schränkte der leitende Oberstaatsanwalt Jürgen Heindl ein.
    Damit bleibt weiterhin unklar, ob die Tat tatsächlich politisch motiviert war. Innensenator Dr. Lothar Lahnstein stand nach Aussagen zum Umgang mit jugendlichen, kriminellen Ausländern (der Kurier berichtete) im Kreuzfeuer der Kritik Berliner Ausländerverbände. Seine Familie hatte Morddrohungen erhalten.
    Zuverlässigen Quellen des Kurier zufolge geht die Polizei inzwischen von einem Einzeltäter aus. Die Ermittler halten es außerdem für möglich, dass der Mörder schon bald wieder zuschlägt.

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    Verärgert klickte Sera den Zeitungsartikel auf ihrem iPhone weg. Die Polizei geht inzwischen von einem Einzeltäter aus. Wie zur Hölle hatte dieser Sackowitz nur davon erfahren?
    Das Quietschen von Sandalen lenkte Seras Aufmerksamkeit zurück ins Jetzt. Sie saß auf einer Bank im Vivantes-Klinikum, vor der Schleuse zur Intensivstation. Die Krankenschwester, die um die Ecke bog, lächelte so mitfühlend, wie sie gelernt hatte zu lächeln, wenn sie Angehörigen begegnete. Dann quietschte sie weiter in den nächsten Gang, und mit ihr verschwand auch alle Anteilnahme. Irgendwo im Krankenhaus jammerte ein Mann vor Schmerzen. Ab und zu kam

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