Kalte Haut
Telefon, hielt aber in der Bewegung inne. »Warum wollen Sie …?«
»Nur für ein paar Fragen«, kam ihm Gesing zuvor.
Der Reporter runzelte die Stirn. »Wie gesagt, heute ist mein erster Tag nach dem Urlaub. Ich weiß noch nicht alles über diese Mordserie, aber ich habe so einiges gehört, zum Beispiel, dass der Killer …«
»Rufen Sie Ihren Kollegen doch einfach an«, unterbrach ihn Gesing. »Er wird Ihnen sicherlich alles erklären, was man … so hört.«
Zähneknirschend wählte Surmeister die Handynummer, und keine fünf Minuten später betrat sein Kollege den Raum. Der untersetzte Mann stellte sich als Bernd Peters vor.
»Herr Peters, haben Sie gleich einen Termin?«, wollte Sera wissen.
Der Journalist machte ein erstauntes Gesicht. »Äh, nein.«
»Ganz sicher nicht?«
»Hören Sie, ich habe die Nachtschicht hinter mir, werde gleich nach Hause fahren und ins Bett gehen. Ich bin froh, wenn ich am Nachmittag noch ein bisschen Zeit mit meinen Kindern verbringen kann, bevor die nächste Schicht beginnt.«
Sera schaute zu Gesing. An seiner Miene erkannte sie, dass er genauso überrascht war wie sie. Diesmal hatte es keinen vorbestimmten Empfänger des Videos gegeben. Obendrein waren seit dem Auftauchen des Folterfilms schon zwei Stunden vergangen, doch die Leiche war noch immer nicht gefunden worden. Warum hat der Täter die Spielregeln geändert?
»Kennen Sie Tania Herzberg?«, erkundigte sich Sera.
»Die Journalistin vom Kurier ?«, fragte Surmeister.
»Die den toten Frank Lahnstein gefunden hat«, ergänzte Peters. »Deren Chef ermordet wurde und deren Freund in dem Film zu sehen ist?«
Seras Handy läutete. Sie schaute kurz aufs Display. Blundermann. Die Kommissarin wappnete sich für das Schlimmste .
Doch Blundermann sagte: »Ich habe eine gute Nachricht.«
Hagen Rething lebt?
»Bei der Entführung gestern gab es einen Zeugen!«
107
Ein Finger streifte Roberts Wange. Er schrak auf. Orientierungslos irrte sein Blick durch die Dunkelheit. Wo bin ich? Ein schmaler Streifen Licht fiel durch einen Spalt im Vorhang. Erleichtert sank Robert zurück auf das Kissen. Er befand sich in seinem Schlafzimmer. Aber wie bist du ins Bett gelangt? Neben ihm bewegte sich etwas auf der Matratze. Er wandte seinen Kopf zur Seite – und erkannte Nadine.
Sie lag ausgestreckt neben ihm. Auf ihrem Gesicht lagen Schatten, ihre Pupillen glänzten, zwei helle Punkte, die aufmerksam auf ihn gerichtet waren. »Geht es dir besser?«
»War ich betrunken?«
»Nein, ich glaube nur müde.« Sie streckte die Hand nach ihm aus, fuhr ihm in einer zärtlichen Geste durchs Haar.
Jetzt entsann er sich: Er hatte gestern Abend noch zwei, drei Gläser Wein getrunken, bevor er ermattet eingeschlafen war. Auf der Couch neben Nadine war er eingenickt, irgendwann hatte er sich dann zu Bett begeben. Offenbar war Nadine ihm gefolgt, doch daran fehlte ihm gänzlich die Erinnerung. Hatten sie sich noch eine Weile unterhalten? Oder haben wir sogar …? Wohl kaum, denn er trug noch all seine Kleidung am Leib.
Robert fragte sich, ob er ein schlechtes Gewissen haben musste. Nicht wegen Nadine, aber wie hatte er schlafen können, während sich Hagen in den Händen eines grausamen Mörders befand?
»Ja, ich war müde«, sagte er, mehr zu sich selbst.
»Und jetzt?«
»Wie? Und jetzt?«
»Jetzt bist du wach.« Die Matratze schwankte. Nadine krabbelte unter seine Decke, legte den Arm um seine Brust. Ihr Körper war noch warm vom Schlaf. Als er ihr unwillkürlich entgegenrutschte, kamen ihm Zweifel. Wie kannst du … ?
»Nadine«, sagte er, »ich will …« Er brach ab.
Ihr Gesicht näherte sich dem seinen, bis sich ihre Nasenspitzen berührten. »Du willst?«
Er sog den Duft ihrer Haut ein, der ihm schon vertraut war, obwohl sie sich erst seit drei Tagen kannten. Spielt das eine Rolle? Er schob seine Hand in ihren Nacken und zog sie zu sich heran.
Ihre Lippen trafen vorsichtig aufeinander, als könnten sie bei der kleinsten Berührung zerbrechen. Hände gingen wie von selbst auf Wanderschaft, glitten unter Kleidung und berührten die heiße Haut des anderen. Bald waren sie nackt, und ihre Körper verschmolzen, als wären sie füreinander geschaffen. Der Höhepunkt war wie eine Befreiung von schwerer Last.
Danach blieben sie atemlos liegen, sprachen kein Wort, hielten sich nur fest umklammert und genossen die Nähe des anderen. Das genügte ihnen, es war ein Band, das so schnell nicht wieder zertrennt werden würde. Mit diesem
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