Kalte Haut
sagte Sera gequält.
»Werner hier.« Gesing klang auch nicht viel besser. »Das Video ist aufgetaucht.«
»Mit Hagen Rething?«
»Nein, mit George Clooney …« Er hustete. »Natürlich mit Hagen Rething, mit wem sonst?«
Seras Augen gewöhnten sich an das Licht. Erneut spähte sie zum Fenster hinaus. Im Osten zeichnete sich ein heller, blauer Streifen am Horizont ab. »Wie spät ist es?«
»Kurz nach fünf. Viel zu früh.«
»Dann ruf doch bitte den Killer an und sag ihm, er soll noch zwei Stunden warten.«
»Sehr witzig«, blaffte Gesing. »Was ich eigentlich meinte: Es ist viel zu früh für die Aufmerksamkeit, die sich dieser Mistkerl wünscht.«
Er steht unter Druck! Sera rappelte sich auf. »Wer hat das Video diesmal bekommen?«
»Ein Journalist im Hauptstadtstudio von RTL . Sein Name ist Andree Surmeister.«
»Gibt es eine Verbindung zu Herzberg, Lahnstein, Bodkema –zu irgendwem?«
»Woher soll ich das denn wissen? Ich habe auch gerade erst von dem Video erfahren.«
»Dann treffen wir uns vor dem RTL- Gebäude.« Sera wälzte sich aus dem Bett. »In einer halben Stunde.«
»Meinst du, das hilft uns weiter?«, rief Gesing.
Sera überprüfte das Handydisplay. Keine weiteren Anrufe. »Hat sich Dr. Bodde mit einem ersten Tatort-Befund gemeldet?«
»Bisher noch nicht.«
»Hast du also einen besseren Vorschlag?« Ohne Verabschiedung beendete Sera das Telefonat.
Gerry wartete im Durchgang zur Küche, barfuß und in Shorts, dazu trug er ein kurzärmeliges Shirt, das seine muskulösen Arme betonte. Sein Haar war vom Schlaf zerzaust. »Überflüssig dich zu fragen, ob du noch etwas frühstücken magst, nehme ich an?«
»Ich muss los.«
»Ich habe Kaffee aufgesetzt. Den kannst du wenigstens mitnehmen.«
Gerry behielt sie im Auge, während sie ihre Hose anzog.
»Du hast wieder schlecht geschlafen«, sagte er.
Sera schlüpfte in ihr Kapuzenshirt. Kurz tauchten die Bilder aus dem Traum wieder in ihren Gedanken auf. Sie beugte sich zu ihren Schuhen hinab.
»Ist es wegen gestern? Diesem Killer?«, fragte Gerry.
»Nein.«
»Die Antwort kommt zu schnell.«
»Trotzdem ist es die Wahrheit.«
»Dann sag mir: Was hast du geträumt?«
Blödes Zeugs! Während sie sich die Schnürsenkel band, erzählte sie von dem Fluss, dem Wasser, den Wellen und der jungen Frau.
Als sie endete, griff Gerry nach ihren Schultern. »Diese Frau, der das Wasser bis zum Halse steht, das bist du selbst.«
»Mir steht das Wasser aber nicht bis zum Hals.« Mir fehlt nur eine handfeste Spur zu einem brutalen Killer.
»Diese Morde, in die du verwickelt bist …«
»Ich bin in keine Morde verwickelt!«
»Aber der Mörder hat dich ins Visier genommen.«
»Er hat mich auch nicht ins Visier genommen!«
»Herrgott, Sera, du weißt, was ich meine. Dieser ganze Stress, von dem du mir gestern Abend erzählt hast. Und dann noch diese Sache mit der Türkin, die kürzlich niedergestochen wurde und wegen der dich ein schlechtes Gewissen plagt.«
»Woher willst du das wissen?«
» Frauen wie du sind schuld. Kannst du dich nicht erinnern, dass du das im Schlaf gestammelt hast?«
Sera konnte. Sie schwieg.
»Und dann ist da auch noch dein Vater, der dich einengt. Wasser, in dem man ertrinkt, steht in der Traumdeutung als Symbol dafür.«
Na schön, du Psychologe! Und wenn du mir jetzt noch erklären könntest, wer hinter dieser grausigen Mordserie steckt, dann … »Und was ist mit dir ?«, wich sie aus. Sie löste sich aus seinem Griff. »Hast du kein schlechtes Gewissen?«
Seine Miene wurde abrupt düster. »Ich habe dir gestern schon gesagt, dass ich niemandem von uns erzählt habe.«
Wortlos steuerte Sera das Badezimmer an.
»Nur einer einzigen Person.«
Sie blieb wie angewurzelt stehen. »Du hast mich gestern Abend angelogen?«
Gerry schüttelte den Kopf. »Nein, nicht so … nicht so, wie du denkst. Ich habe mit meiner Frau gesprochen.«
»Du hast deiner Frau von mir erzählt?«
»Nein, nicht von dir. Nur dass es … Ich habe ihr erzählt, dass ich eine andere Frau kennengelernt habe, dass ich sie liebe, mit ihr zusammenleben möchte und es deshalb für das Beste halte, einen Schlussstrich zu ziehen. Die Ehe ist sowieso keine mehr.«
» Das hast du gemacht?« Fassungslos starrte Sera ihn an.
»Ich habe gedacht, es ist an der Zeit, dass wir … Also du und ich … Ach, verdammt: Ich liebe dich.«
Sera trat rasch ins Badezimmer, schloss die Tür hinter sich und setzte sich auf die Kloschüssel. Mittlerweile war
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