Kalte Haut
Fu Xiang Gang.« Blundermann wies auf den anderen Asiaten, der weder Schuhe noch Socken trug. Sein T-Shirt war mit Resten von süßsaurer Soße verziert. »Herr Gang ist Zaomings Schwager. Ihm gehört das Golden Buddha , in dem«, Blundermann deutete auf die übrigen Asiaten: Kinder, Eltern, Großeltern, »fast die ganze Familie arbeitet. Zusammen teilen sie sich eine Wohnung hier im Haus. Herr Gang spricht von allen am besten Deutsch.«
»Nur ein … bissen«, wiegelte der Thai ab.
»Bissen hin oder her«, befand Blundermann, »wir wollen hier nicht essen, sondern wissen, was passiert ist.«
»Was, bitte?«
Blundermann sprach langsamer, betonte jedes seiner Worte einzeln. »Fragen – Sie – Herrn – Zaoming – bitte, – was – er –gesehen – hat.«
Gang wechselte in schnellem Singsang einige Sätze mit seinem Schwager. Dann übersetzte er: »Sui Chun sagt, er war … einkaufen.«
Zur Bestätigung hob Zaoming die volle Plastiktüte etwas an. Ein Joghurt fiel heraus.
Sera und Blundermann schnappten danach. Zu spät. Der Becher klatschte auf den Boden. Das Plastik zerplatzte, und der Inhalt verteilte sich auf den Fliesen im Hauseingang. Mit verdrießlicher Miene sah Zaoming zu, wie eine der Frauen seiner Familie den Joghurt aufwischte.
»Tut mir leid«, sagte Blundermann.
»Natürlich erstatten wir ihm den Joghurt«, fügte Sera hinzu.
»Nein, Sui Chun sagt, ist gut. Was ist Verlust von Joghurt gegen …« Gang sah scheu zu der alten, schluchzenden Frau hinüber, die noch immer in den Armen der beiden Türken hinter der Absperrung kauerte.
»Ihr Name ist Fatma Alpzoman, eine Großtante des Opfers«, erklärte Gesing, der sich inzwischen zu ihnen in den Hausflur gesellt hatte.
»Und die beiden Männer?«
»Der mit der Brille ist Fatmas Mann, Osman Alpzoman, der andere dessen Bruder Rudank Alpzoman.«
Die Namen sagten Sera nichts. Ihr Blick kreuzte sich mit dem von Adiles Großtante. Fatma Alpzomans rundes Gesicht, umrahmt vom Kopftuch, war von Verzweiflung verzerrt, ihre Wangen von Tränen rot, ihre Augen verquollen, doch es glomm noch etwas anderes als nur Kummer in ihnen.
Sera wandte sich wieder den beiden Thais zu. »Herr Zaoming kam also vom Einkaufen nach Hause?«
»Ja, er hat Haustür aufgeschlossen. Da ruft Frau.«
»Adile?«
»Ja, sie will auch in Haus. Sui Chun hält Tür mit Arm auf. Er hört Auto. Reifen laut.«
»Herrn Zaoming hat also ein Auto gesehen?«
»Nein, Sui Chun hört Auto. Nicht sehen. Er aber nichts denken. Dann er hört …« Gang kniff die Augen angestrengt zusammen, während er sein Hirn nach den richtigen Worten zermarterte. »Er hört Schrei. Er dreht um und sieht Mann, der zu Auto rennt.«
»Also hat er das Auto doch gesehen?«, stellte Blundermann grummelnd fest. »Hat er die Marke erkannt?«
»Marke?«
»Was war das für ein Auto? Mercedes?«
»Schwarz. BMW.«
»Das Nummernschild?«
Zaoming zögerte, schüttelte den Kopf. »Es regnet. Alles war schnell.«
»Was ist mit dem Mann?«, fragte Sera. »Hat Ihr Schwager ihn vielleicht erkannt? Kann er ihn beschreiben?«
»Sui Chun sagt, es regnet. Alles war …«
»Ja, ja, das hatten wir schon«, unterbrach Blundermann ungeduldig. »Das heißt also: nein?«
Zaoming entblößte seine krummen Zähne zu einem noch schieferen Lächeln. »Sui Chun glaubt, er weiß wer.«
»Glauben hilft uns wenig«, murmelte Blundermann.
»Was?«
»Ach, vergessen Sie’s.«
Die beiden Asiaten wechselten wieder einige Worte. »Frau hat Streit«, übersetzte Gang. »Polizei … seit drei Wochen … immer wieder in Haus.«
»Dann sollten wir jetzt mal mit Adiles Freundin reden.« Sera wandte sich zur Treppe.
»Vorsicht, Sera!«, warnte Blundermann plötzlich.
Fatma Alpzoman, Adiles Großtante, stürmte in den Hausflur. Seras Kollegen packten sie, doch die alte Frau entschlüpfte mit überraschender Wendigkeit ihren Griffen. Schon stand sie vor Sera.
»Senin gibi bayanlar suçludur«, zischte sie und ballte die Faust.
Seras Arm schoss instinktiv nach oben und bremste gerade noch die niedersausende Hand. Fatma Alpzoman heulte auf wie ein Wolf, dann verließen sie die Kräfte. Die Beine gaben unter ihr nach, sie sank zu Boden. Das Kopftuch verrutschte und entblößte langes graues Haar.
»Wie ist die denn an der Absperrung vorbeigekommen?«, wetterte Gesing. Er winkte die Sanitäter herbei, doch Osman und sein Bruder Rudank waren schneller. Sie drängten die Ärzte beiseite, richteten ihre Verwandte auf,
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