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Kalte Haut

Kalte Haut

Titel: Kalte Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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Sekundenbruchteile glaubte sie, auf ihren Wangen den Schmerz jener Schläge zu spüren, die Ralf … Nein, daran willst du nicht mehr denken. Trotzdem ließ der jähe Anflug ihrer Erinnerung sie erzittern. Warum kann er mich nicht endlich in Frieden lassen?
    Sie ärgerte sich fast mehr über sich selbst als über diesen Scheißkerl von Noch-Ehemann. Wieso hatte sie bloß seinen Anruf entgegengenommen? Ganz einfach: weil der Scheißkerl von Noch-Ehemann so raffiniert ist und seine Rufnummer unterdrückt. Hätte sie seine Telefonnummer erkannt, hätte er klingeln können, bis er alt und grau war. Und tot am besten noch dazu!
    Sie verließ die Toiletten.
    »Alles in Ordnung?« Harald »Hardy« Sackowitz stand noch immer unbewegt neben ihrem Schreibtisch.
    Tania zwang sich zu einem Lächeln und deutete auf die Akten, die ihrem Kollegen unter dem Arm klemmten. »Was ist damit?«
    »Nun«, druckste er verlegen. »Ich dachte, ich könnte … Also, ich meine, vielleicht … Ach, verflucht! Mein Rechner spinnt mal wieder.«
    Es war ein offenes Geheimnis, dass Sackowitz mit der modernen Technik auf Kriegsfuß stand. Alle paar Tage – manche behaupteten spöttisch: stündlich – brachte er seinen Computer zum Absturz. »Hast du eine falsche Taste gedrückt?«
    »Diesmal ist er wirklich kaputt. Das sagen sogar die Jungs aus der Technik.«
    »Und jetzt willst du an meinen?«
    »Das wäre ganz toll.« Er strahlte wie ein kleiner, glücklicher Schuljunge.
    »Und wie stellst du dir das vor?«
    »Wir wechseln uns ab. Erst schreibst du, dann ich. Das dürfte kein Problem sein, ich bin jetzt sowieso erst mal außer Haus. Habe gerade einen Anruf erhalten. In Kreuzberg hat es einen Vorfall gegeben.«
    »Einen Vorfall?«
    »Die Mordkommission ist schon dorthin bestellt worden.« Er platzierte die Ordner auf ihrem Schreibtisch. »Also, darf ich an deinen Rechner?«
    »Ich weiß nicht«, zauderte Tania.
    »Ich werde dir auch nicht zur Last fallen, versprochen.«
    Keine Bange, das erledigen bereits andere für dich. Tania ließ sich auf ihren Sessel plumpsen.
    »Und spätestens am Samstag bist du mich sowieso wieder los«, versprach Sackowitz. »Dann bekomme ich meinen Rechner zurück. Haben mir die Techniker zugesagt.«
    »Na gut«, willigte sie ein.
    Ihr Handy läutete. Die Nummer des Anrufers war unterdrückt. Tania starrte das vibrierende Mobiltelefon an, als wäre es mit einem bösartigen Virus infiziert.
    »Willst du nicht rangehen?«, fragte Sackowitz.
    »Wolltest du nicht schon längst weg sein?«
    »Ja, ja, ich geh dann mal los.« Er stampfte zu den Aufzügen.
    Tania griff zum Handy. »Ja, bitte?«
    »Hallo?« Jemand räusperte sich. Es war nicht Ralf. Zum Glück. »Spreche ich mit … mit Frau Herzberg?«
    »Sind Sie es, Herr Haindling?«
    »Ja, aber …«, der Mann schnappte nach Luft, »mein Name darf nicht in Ihrer Zeitung auftauchen, das hat meine Frau Ihnen gesagt, oder?«
    »Selbstverständlich, Sie bleiben anonym, das verspreche ich Ihnen.«
    »Wenn rauskommt, dass ich Ihnen diese Informationen gesteckt habe, dann … Aber wissen Sie, diese Schweinerei, die da bei der S-Bahn abgeht, die muss an die Öffentlichkeit. Andererseits brauche ich den Job.«
    »Sie haben mein Wort.« Tania klemmte sich das Handy zwischen Schulter und Ohr, während sie nach einem Notizblock mit Kugelschreiber griff. »Also? Ich höre.«

7
    »Seray?« Gesing drehte sich mit fragender Miene zum Beifahrersitz.
    Sera blinzelte in den Regen hinaus. »So schön wie der Mond selbst.«
    »Hä?«
    »Sera ist die Kurzform von Seray. Und das bedeutet wiederum: so schön wie der Mond selbst. Es ist der Name meiner Großmutter mütterlicherseits.«
    Gesing kicherte. »Also deine Mutter …!«
    »Was ist mit ihr?«
    »Vielleicht lieg ich ja ganz falsch damit, aber«, er gluckste, »als ich gerade vor deiner Tür stand, da hat sie mich angesehen, als ob ich, na ja …« Er blickte Sera bedeutungsvoll an.
    Plötzlich deutete sie mit der Hand nach vorne. »Pass auf!«
    Auf der Skalitzer Straße zwängte sich ein Lkw aus einer schmalen Hofeinfahrt.
    »Verdammt, sieht der denn das Blaulicht nicht?« Gesing trat das Bremspedal durch.
    Der Sicherheitsgurt, gegen den sich Seras Brust presste, raubte ihr kurzzeitig den Atem. Erst als Gesing das Martinshorn einschaltete, setzte der Lastwagenfahrer erschrocken zurück. Gesing konnte wieder Gas geben, und der Wagen reihte sich mit einem Satz in den Kreisverkehr am Kottbusser Tor ein. Sera wurde in den Sitz

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