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Kalte Haut

Kalte Haut

Titel: Kalte Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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was …« Tania stockte. »Ach, egal.«
    Sie warf einen Blick auf den Kollegen neben ihr am Schreibtisch. Der grimmige Mittfünfziger trug eine scheußliche Krawatte und ein noch scheußlicheres Tweedsakko. Hässlich war noch eine freundliche Umschreibung.
    »Komm mit!« Tania winkte Robert in eines der angrenzenden Zimmer. Ihre schmalen, bordeauxroten Pumps klackerten vorwurfsvoll auf den Fliesen.
    Der Konferenzraum bestand aus einem kleinen Verschlag, dessen vier nüchterne Wände man mit etlichen Titelseiten in Bilderrahmen aufgehübscht hatte.
    Tania schloss die Tür und ließ sich auf einen Stuhl sinken. Nervös spielte sie mit einem Bleistift. Das Licht der Neonröhre brachte ihre Blässe und Erschöpfung noch stärker zum Ausdruck. Das blonde Haar fiel ihr glanzlos auf die Schultern. Das Kostüm, das sie trug, wirkte viel zu groß an ihr. Sie sieht schlecht aus. Aber das war wenig erstaunlich angesichts ihres gestrigen Erlebnisses. Ein Wunder, dass sie es überhaupt zur Arbeit geschafft hatte.
    Aber so ist sie früher schon gewesen, unerbittlich und zäh.
    »Bo«, begann Robert, hielt aber inne, als er sie den Kopf schütteln sah. »Tania, ich wusste nicht, dass du … Stimmt, du heißt jetzt nicht mehr Bolt?«
    Bolt war ihr Familienname gewesen, Bo sein Kosename für sie.
    Sie legte den Bleistift auf den Tisch und wickelte eine Strähne ihres Haares um den Zeigefinger, eine Geste, die ihm noch immer vertraut war. »Ich habe geheiratet.«
    Obwohl es auf der Hand lag, überraschte ihn das Geständnis noch mehr als die unerwartete Begegnung. War es das, was Hagen gestern gemeint hatte? Es hat sich einiges verändert.
    »Das freut mich«, sagte Robert.
    »Die Ehe hat sich schon wieder erledigt.« Sie kreuzte die Beine. »Ich habe mich vor sechs Monaten getrennt.«
    Er sah sie fragend an.
    »Es war eine Dummheit.«
    Er nickte, als verstünde er. »Aber du wohnst noch in deiner alten Wohnung, oder?«
    »Mein Mann ist damals bei mir eingezogen.« Sie lächelte gequält. »Jetzt ist er wieder ausgezogen.«
    Robert erwiderte das Lächeln. Das Neonlicht sirrte, während sie schwiegen. Tania schaukelte mit einem ihrer roten Pumps.
    Ab und an drang ein Telefonklingeln aus der Redaktion nebenan zu ihnen durch. In den Bilderrahmen an der Wand schrien die Schlagzeilen: Killerschüler in Berlin: »Klar, dass der mal austickt!« Daneben: Nicht einmal die Polizei ist sicher: Blutiges Fiasko. Und ein Stück weiter: Vater und Mutter im Schlaf erstochen – Endlich: Schwester von Elternmörder redet .
    Eins begriff Robert allerdings noch immer nicht. »Du bist nicht mehr beim Tagesspiegel ?«
    »Wie du siehst.«
    »Warum?«
    Sie lächelte wieder, noch verzweifelter. »Ich habe nicht nur eine Dummheit begangen.« Sie holte tief Luft, und das Lächeln erlosch. »Damals.«
    Vor vier Jahren , wollte sie hinzufügen, schluckte aber die Worte hinunter. Sie hielt den Blick gesenkt, als schämte sie sich.
    Robert wollte etwas erwidern, als es klopfte. Ein kleiner, dicklicher Mann mit wirrem Haar tauchte zwischen Tür und Angel auf. »Ah, hier bist du, Tania.« Sein Blick fiel auf Robert. »Kenne ich Sie nicht?«
    »Kann sein.«
    »Was gibt es, Hardy?«, fragte Tania, während sie die Haarsträhne, mit der sie gespielt hatte, wieder hinters Ohr klemmte.
    »Es ist wegen der … S-Bahn-Geschichte.« Seine Augen hafteten nach wie vor an Robert. »Ich müsste dich was Wichtiges fragen, du weißt schon …«
    »Ich komme gleich«, schnitt Tania sein Gestammel ab.
    »Ja, bitte, es ist wirklich wichtig.«
    Die Tür fiel in den Rahmen.
    »Nun«, sagte Tania, während ihre Finger sich wieder mit dem Bleistift beschäftigten. »Ich freue mich, dich zu sehen. Und dass es dir gut geht.« Sie deutete zum benachbarten Großraumbüro. »Aber wie du mitbekommen hast, habe ich noch einiges zu tun. Wenn also nichts Wichtiges anliegt, dann …«
    »Doch«, unterbrach er. »Ich muss mich mit dir unterhalten.«
    »Robert, die Sache damals … Ich möchte nicht mehr darüber reden.«
    »Nein, Bo … Entschuldige, Tania … Aber deswegen bin ich nicht hier.«
    Irrte er sich, oder huschte ein Anflug von Enttäuschung über ihr abgespanntes Gesicht? Als hätte sie sich gewünscht, dass du deswegen hier bist.
    »Weswegen dann?«
    Er zögerte. Wenn Sie recht haben … Wenn er recht hatte, dann behagte ihm die Vorstellung keineswegs, dass ausgerechnet Tania in den Mordfall verwickelt war. Der Täter hat sie nicht nur absichtlich ausgesucht, er wusste auch

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