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Kalte Haut

Kalte Haut

Titel: Kalte Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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zwang er Tania, sich an den gestrigen Tag zu erinnern, den sie heute bisher erfolgreich verdrängt hatte.
    »Also, was ist übersehen worden?«, fragte sie schließlich.
    Robert knetete seine Finger. Das hatte er früher schon getan. Ein Zeichen seiner Anspannung. Obendrein wirkte er übernächtigt, als hätte er tagelang nicht geschlafen.
    »Hat es beim Berliner Kurier ungewöhnliche Vorfälle gegeben?«
    »Was denkst du denn?« Tania unterdrückte den Impuls zu lachen. Sie zeigte auf die Bilderrahmen an der Wand. Vater und Mutter im Schlaf erstochen – Endlich: Schwester von Elternmörder redet . »Hier gibt es ständig ungewöhnliche Vorfälle. Ungewöhnliche Vorfälle sind unser Job.«
    »Auch Tote, zu denen du gelockt wirst?«
    »Es war nicht das erste Mal, dass ein Journalist zu einem Mordopfer geführt wird. Das solltest du am besten wissen.«
    »Ja, aber ich weiß auch, dass so etwas nicht an der Tagesordnung ist.«
    Tania seufzte. »Warum sagst du mir nicht einfach, weshalb du gekommen bist?«
    »Es deutet einiges darauf hin, dass der Mörder …«
    »Ihr geht jetzt von einem Mörder aus?«, fiel sie ihm ins Wort und wunderte sich noch in derselben Sekunde über sich selbst. So mies sie sich auch fühlte, ihr journalistischer Instinkt funktionierte einwandfrei.
    Robert schien nicht erfreut über die Unterbrechung. Unwillig verzog er sein Gesicht. »Es deutet einiges darauf hin, dass der Verantwortliche – oder die Verantwortlichen – für diese schreckliche Tat dich ausgewählt …«
    »Ja, Robert«, unterbrach sie abermals, »das habe ich schon begriffen. Der Mörder oder …«, sie schrieb mit den Fingern Anführungszeichen in die Luft, »die Verantwortlichen wählten mich aus, weil ich Journalistin bei einem Boulevardblatt bin. Sie wollten, dass ich die Leiche finde, weil sie größtmögliche Öffentlichkeit suchten. Auch das ist nicht untypisch für ein politisches Verbrechen.«
    »Mag sein, aber sie wollten nicht irgendeine Journalistin. Sie wollten dich !«
    »Vielleicht, weil ich eine gute Journalistin bin?«
    »Beim Kurier ?«
    »Okay, das reicht jetzt!« Tania stemmte sich aus dem Sessel. Die widerspenstige Strähne löste sich hinter ihrem Ohr und fiel ihr ins Gesicht. »Ich habe weder die Zeit noch die Lust, mich mit dir …«
    »Entschuldige«, sagte Robert. »Bitte setz dich und hör mir zu.«
    Tania ließ sich zurück auf den Stuhl fallen, klemmte die Strähne wieder zurück hinters Ohr.
    Robert beugte sich über den Tisch. Seine Finger waren ineinander verknotet. »Der oder die Täter, er hat … sie haben … Ach, verdammt! Man hat dir Insider-Infos für deine andere Reportage versprochen, richtig? Aber woher hat der Anrufer gewusst, woran du arbeitest?«
    »Weil er die Zeitung gelesen hat? Ich schreibe schließlich seit mehreren Tagen über dieses S-Bahn-Chaos und …«
    »Nein, nein, du verstehst nicht, worauf ich hinauswill.«
    »Dann erkläre es mir endlich!«
    Angesichts der Schärfe in ihrer Stimme wich Robert zurück. »Man hat sich mit dir auseinandergesetzt. Wenn man einfach nur einen Journalisten gebraucht hätte, der die Leiche findet, Herrgott, dann hätte man sagen können: Kommen Sie hierhin, dort finden Sie Frank Lahnstein . Jedem halbwegs fähigen Journalisten hätte das doch gereicht, um daraus eine Top-Story für sein Blatt zu machen. Aber nein, man lockte ausgerechnet dich mit einer solchen Finte zum Fundort. Findest du das nicht merkwürdig?«
    Von dieser Warte aus hatte Tania die Sache noch gar nicht betrachtet. Wie ist das mit deinem journalistischen Instinkt? Dennoch blieb eine Frage: »Warum ausgerechnet ich?«
    »Um das herauszufinden, bin ich hier.«
    »Ich habe keine Ahnung. Vielleicht war es nur ein Zufall?«
    »Nein, ich bin davon überzeugt, dass du …«
    »Dass ich was?« Tania fuhr auf, und die Strähne fiel vor ihre Augen. Sie fegte sie beiseite. »Dass ich etwas mit dem Mord zu tun habe?«
    »Möglicherweise ist jemand wütend auf dich, weil du Berichte über ihn verfasst hast.«
    »Aber hätte er dann nicht mich umgebracht?«
    »Hast du über den Senator oder seinen Sohn geschrieben?«
    »Mit denen habe ich nichts am Hut.« Erschöpft sank sie auf ihren Stuhl zurück. »Bis auf die Tatsache, dass ich gestern die Leiche gefunden habe. Und ich will ehrlich zu dir sein: Auf dieses Erlebnis hätte ich gerne verzichten können.«
    »Bo, bitte, die Zeit drängt und …«
    »Ist schon wieder jemand entführt worden?«
    »Nein.«
    »Aber ihr geht

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