Kalte Haut
suchen?«
»Du hast doch gesagt, das sei in Ordnung.«
»Du hast gesagt, am Samstag sei dein Rechner wieder repariert.«
»Ist er leider noch nicht.« Sackowitz fuhr sich mit fettigen Fingern durchs Haar, was seiner borstigen Frisur einen feuchten Glanz verlieh. »Außerdem meinte Stan vorhin, du hättest das Wochenende über frei.«
»Das hat er gesagt?«
»Ja, wegen gestern und …«
Den Rest bekam Tania schon nicht mehr mit, weil sie durch die Großraumredaktion stürmte und in Bodkemas Vorzimmer platzte. Emma, die Sekretärin, schrak zusammen. Der Pinsel, mit dem sie gerade vorsichtig Nagellack auf ihre Fingernägel hatte auftragen wollen, hinterließ einen krakeligen Streifen auf der Schreibtischunterlage. Verdattert flog ihr Blick zwischen Farbe und Tania hin und her, unschlüssig, ob sie erst die Bescherung wegwischen oder den Störenfried aufhalten sollte.
Tania nutzte ihre Verwirrung und fiel in Bodkemas Büro ein. »Wieso habe ich das Wochenende frei?«
»Entschuldige, Stan«, Emma stöckelte aufgebracht hinter ihr her, »aber …«
»Ist schon gut.« Der Chefredakteur winkte die Blondine hinaus.
Tania durchbohrte Bodkema mit einem bösen Blick. »Ich höre!«
»Das haben wir doch gestern alles besprochen.«
»Nein«, meckerte Tania, »das haben wir nicht. Wir haben gesagt: Morgen früh schauen wir weiter.«
»Und warum bist du dann heute hier?«
»Nein, gestern hatten wir gesagt, morgen schauen wir weiter. Also heute.« Tania stöhnte entnervt auf.
Bodkema rieb sich die Nasenwurzel. »Entschuldige, aber wir hatten eine lange Nacht.«
»Nicht nur ihr.«
Er sah sie prüfend an. »Wie geht es dir?«
»Besser.« Tanias Schlaf war zwar kurz und unruhig gewesen, und nach wie vor ließ sich das schockierende Bild der Leiche nur mühsam aus ihren Gedanken vertreiben, aber letztlich war es nur etwas wie aus einem Traum, oder einem Albtraum , keine reale Bedrohung.
Sie strich ihren Rock glatt. Heute Morgen hatte sie sich für ein Kostüm mit roten Pumps entschieden, das signalisieren sollte: Es geht mir gut. Ich kann arbeiten.
»Dann schließ dich bitte mit Hans-Peter kurz«, sagte Bodkema.
»Hans-Peter?«
»Ja, Karrenbacher arbeitet jetzt an der S-Bahn-Geschichte.«
»Karrenbacher? Aber warum?« Tania zog aus ihrer Handtasche einen Schnellhefter heraus, den sie vor Bodkema auf den Schreibtisch schmiss. »Ich habe doch schon alles beisammen.«
»Hast du?« Der Chefredakteur zog skeptisch die Augenbrauen zusammen, während er durch den Ordner blätterte, der einige Kopien der Arbeitsanweisungen enthielt, die Tanias Informant gestern aus einem Wartungsbetrieb der Berliner S-Bahnen beschafft hatte. Einige Einträge waren mit Filzschreiber angestrichen – die fehlerhaften Aufträge.
»Sehr gut«, sagte Bodkema, und seine Miene entspannte sich.
»Also? Was ist? Schreibe ich jetzt den Text?«
»Ja, zusammen mit Hans-Peter.«
»Das ist wohl nicht dein Ernst?«
»Doch«, herrschte der Chefredakteur sie an. »Ich habe Hans-Peter gestern Abend an die Story gesetzt und kann sie ihm ja schlecht einen halben Tag später wieder entziehen.«
»Ach? Aber mir hättest du sie …«
»Tania, bitte, erspare mir die Revierkämpfe, dafür habe ich heute einfach keinen Kopf. Du weißt am besten, was seit gestern hier los ist.« Er wandte sich seinem Computer zu. »Schlimm genug, dass ich heute Abend noch nach Monte Carlo fliegen muss. Dieses dämliche Interview mit den Schumachers …«
Tania interessierte sich weder für Monte Carlo noch für dämliche Interviews oder die Schumachers. »Was ist mit meinem Rechner?«
»Was soll damit sein?«
»Hardy blockiert ihn seit Tagen, weil seiner in Reparatur ist.«
»Dann teilst du dir eben den PC mit Hans-Peter. Macht sowieso Sinn, wenn ihr beide an der gleichen Story schreibt.« Bodkema konzentrierte sich wieder demonstrativ auf seinen Computerbildschirm. Eine weitere Störung würde er nicht dulden.
Zornig suchte Tania ihren Kollegen auf. Hans-Peter Karrenbacher empfing sie mit einem flüchtigen Lächeln. »Tut mir leid, Tania, ich wollte dir die Story nicht wegnehmen, aber …«
»Du hast sie mir nicht weggenommen«, sagte Tania. »Wir schreiben sie zusammen.«
»Also, ich weiß nicht, ob …«
»Hast du denn schon etwas rausgefunden?«
»Na ja, also …«
»Gut. Ich nämlich schon.« Betont lässig ließ sie die Mappe auf den Schreibtisch fallen.
Karrenbacher prüfte die Unterlagen. »Wie bist du denn daran gekommen?«
»Durch gute Arbeit!«
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