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Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Kalte Macht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Faber
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als müsse sie selbst ihren Worten nachlauschen. Dann nickte sie kaum merklich und atmete durch. »Ich habe Ihnen eine Aufgabe zugewiesen, die ich eigentlich an einen beamteten Staatssekretär hätte delegieren müssen. Diese Herren sind auf Strukturen geeicht. Sie beherrschen das Handwerk. Sie sind bürokratisch perfekt. Vor allem: Sie kennen das Kanzleramt wie ihre Westentasche. Doch da liegt genau das Problem.«
    Natascha hob reflexhaft die Hand und ärgerte sich, sah sie doch wie eine Schülerin beim Abfragen aus. »Aber genau das scheint mir das größte Problem für einen Einsteiger wie mich: Ich werde einige Zeit brauchen, bis ich die Strukturen des Hauses so gut kenne, dass ich Vorschläge zur Effizienz machen kann, die die langjährigen Mitarbeiter nicht sofort in der Luft zerreißen.«
    Ein dünnes Lächeln umspielte die Mundwinkel der Kanzlerin. »Es schadet nicht, wenn man Sie unterschätzt, meine Liebe. Machen Sie sich keine Sorgen wegen der Strukturvorschläge. Da wird einiges nützlich sein, anderes nicht. Mir geht es in Wirklichkeit um etwas anderes.« Das Lächeln war verschwunden. Plötzlich wirkte die mächtigste Frau der westlichen Welt müde, erschöpft. Sie senkte den Blick und die Stimme. »Was mir fehlt, ist eine Vertraute.«
    »Bitte?« Mit allem hätte Natascha gerechnet, aber nicht mit einem solchen Bekenntnis.
    »Das Kanzleramt ist ein Haifischbecken. Seit Jahren versuche ich, die heimlichen Machtstrukturen zu durchleuchten. Es gibt hier Netzwerke und Querverbindungen, die ihre ganz eigenen Interessen verfolgen. Die meisten Mitarbeiter agieren nach der Devise: Mir ist egal, wer unter mir regiert. Das Problem ist: Je größer das Eigenleben des Amts, umso gefährlicher ist das Regieren.« Die Kanzlerin sah ihre junge Mitarbeiterin von unten herauf an. Es war dieser Hundeblick, von dem man nicht sagen konnte, ob er nur die Wirkung prüfen wollte oder ob er für die ganz große Last stand, unter der die Kanzlerin litt.
    »Heißt das, Sie gehen von einer Verschwörung aus?«
    »Von einer Verschwörung? Gott, nein, das ist ja hier nicht Hollywood.« Die Stimmung der Kanzlerin schlug um, mit einem Mal bekam ihr Blick etwas Angriffslustiges. »Mit einer Verschwörung könnte ich leicht selbst fertigwerden. Nein. Mir geht es um die heimlichen Machtstrukturen im Amt. Wenn das hier ein Netz ist, will ich die Spinne sein.«
    »Und Sie glauben, dass ich diese Strukturen durchleuchten kann?«, fragte Natascha ungläubig. Entweder hielt die Kanzlerin sie für naiv, oder sie war es selbst. Wenn diese Meisterin der Macht es nicht vermochte, das Gewirr an Einflüssen und Abhängigkeiten zu erhellen, wie sollte sie es schaffen?
    »Natürlich können Sie es. Sie sind klug, haben einen unbestechlichen Blick – und Sie sind unauffällig. Ich weiß, was Sie denken. Sie denken, ich wüsste sowieso alles. Alle Codes, alle geheimen Dossiers, alle diplomatischen Tretminen. Das stimmt sogar. Ich bin ja nicht erst in der Politik, seit ich Kanzlerin bin. Und ich war immer ganz gut im Durchschauen von Seilschaften und Hinterzimmervereinen. Vielleicht weiß ich auch zu viel.« Sie drehte sich um und gab einem der Security-Leute ein Zeichen, zu ihr zu kommen. »Sagen Sie bitte in meinem Bundestagsbüro Bescheid, dass wir um elf Uhr die Fraktionsführer erwarten. Alle Fraktionen. Danke.« Der Mann, der mindestens anderthalb Köpfe größer war als die Kanzlerin, nickte, hob seine Hand an den Mund und gab, noch während er sich abwandte, durch: »Bin kurz vom Posten. Auftrag von der Kanzlerin. Bitte Ersatz.« Und er war kaum um die Ecke, als schon ein anderer, zweiter Mann neben dem verbliebenen auftauchte. »Sehen Sie«, fuhr die Kanzlerin fort, »es gibt zwei Probleme. Zum einen weiß ich unendlich viel, aber es ist angesichts der Fülle von Details kaum noch möglich, die Zusammenhänge zu überblicken. Zum anderen kann ich selbst nicht fragen, wer mit wem vertraut ist oder wer wen ausbooten will. Als Kanzlerin bin ich hier der einsamste Mensch. Niemand weiß so viel, und niemand erfährt so wenig wie ich.«
    »Aber das wird mir nicht anders gehen, Frau Bundeskanzlerin«, erklärte Natascha und versuchte, während sie sprach, einen klaren Gedanken zu fassen. »Wer wird mir schon etwas erzählen? Mich kennt kaum einer im Amt. Es wird lange dauern, bis ich allein zu den wichtigsten Mitarbeitern ein Vertrauensverhältnis aufgebaut habe …«
    Die Kanzlerin winkte ab. »Das brauchen Sie doch gar nicht«, sagte sie in einem

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