Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Verstrickung vertuschen konnte, hatte sie womöglich eine Gnadenfrist. Ein leises »Pling« ließ sie aus ihren Gedanken aufschrecken. Automatisch fuhr ihre Hand zur Seite und öffnete die eingegangene Mail.
    Von: Prinzessin
    An: Die Pupille
    Betreff:
    Text: JEDE WAHRHEIT KOMMT IRGENDWANN ANS LICHT.

Bonn, Bundestagsplenum, 13.02.1995.
    Die Fraktion der Partei Bündnis 90/Die Grünen stellt eine »Kleine Anfrage« an die Bundesregierung: »Der Kronzeuge S.N. und die Rolle der Sicherheitsbehörden«.
    Inzwischen ist bekannt geworden, dass der V-Mann des hessischen Verfassungsschutzes im Fall Dr. Albert Ritter noch vier Tage vor seiner Aussage beim Verfassungsschutz in psychiatrischer Behandlung war. Er hatte ein halbes Jahr stationär in der Psychiatrie verbracht. Diagnose: Länger anhaltende depressive Reaktion mit suizidalen Gedanken, Polytoxikomanie inklusive Morphin, Persönlichkeitsstörung auf BorderlineNiveau.
    Die Fraktion der Grünen möchte von der Bundesregierung eine Auskunft darüber, ob sie die Aussagen des V-Mannes dennoch für glaubwürdig hält.
    Die Bundesregierung gibt zu Protokoll, dass sie an seiner Glaubwürdigkeit nicht zweifelt.
    Offen bleibt die Frage, ob das den Widerruf des V-Mannes, der später behauptete, zu seiner Aussage mit Gewalt gezwungen worden zu sein, einschließt.
    Die Fraktion der Grünen will ferner wissen, wie die Bundesregierung zu der vermeintlichen Präparierung des V-Mannes beziehungsweise seiner vermeintlichen Bedrohung durch den hessischen Verfassungsschutz steht.
    Die Bundesregierung stellt hierzu fest, »dass sie die Maßnahmen dieses Amtes nicht zu kommentieren hat«.
    In der Folge werden mehrere Haftbefehle gegen mutmaßliche Täter aus dem Umfeld der RAF aufgehoben.
    Einer der angeblichen Mittäter wurde 1993 auf der Flucht vor dem Zugriff durch die Polizei erschossen.
    Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft lauten seither »gegen unbekannt«. Die Frage, wie eine Gruppe im Untergrund lebender Terroristen über mehrere Tage hinweg eine beiderseits der Fahrbahn befindliche Baustelle hatte errichten können, obwohl die nähere Umgebung des Dr. Albert Ritter wegen seiner hohen Gefährdung ständig intensiv überwacht wurde, konnte ebenso wenig geklärt werden wie die Frage, woher die Täter eine technische und materielle Ausrüstung zur Verfügung hatten, die sonst nur im militärischen oder geheimdienstlichen Bereich Anwendung findet.