Kalte Schulter - heisse Kuesse
nichts an. Es ist egal.“
„Dein Vater?“
„Welcher Vater?“, erwiderte sie, und die Verbitterung, die in diesen beiden Worten mitschwang, überraschte sie selbst. Sie dachte sonst nie an den Mann, der sie gezeugt hatte. Es musste an der Schwangerschaft liegen, dass sie Vergleiche zog. Angesichts der Freude, die sie empfand, konnte sie ihn noch weniger verstehen.
Gabe nickte langsam. „Ich bin nicht wie andere Männer.“ Eine Tatsache, die ihr sehr wohl bewusst war, denn bei keinem anderen Mann fühlte sie sich so unsicher.
Gabe drückte auf einen Knopf, und die Ankerkette setzte sich in Bewegung.
Chastity wusste, dass sie Gabe mit ihrer Vermutung beleidigt hatte. Doch wenn sie daran dachte, wie oft er sie schon beleidigt hatte, fühlte sie sich nicht sonderlich schuldig. Zumindest würde sie es nicht zeigen. Denn sobald Gabe eine Schwäche entdeckte, nutzte er sie aus.
Gabe klopfte an Chastitys Haustür und wartete. Natürlich war sie nicht zu Hause. Sie würde den Tag mit Freunden verbringen, mit der glamourösen Clique, mit der sie und Tom regelmäßig ihre Freizeit verbracht hatten, oder vielleicht mit ihrer Familie. Allerdings nicht mit ihrem Vater.
Dass sie gedacht und vielleicht gehofft hatte, dass auch er seinem Kind den Rücken kehren würde, hatte ihn anfangs wütend gemacht. Hielt sie wirklich so wenig von ihm? Seit gestern, nachdem er sie in bedrückendem Schweigen wieder zu ihrem Wagen gebracht hatte, stellte er sich immer wieder die Frage, was ihr widerfahren war, dass sie stets damit rechnete, von anderen abgewiesen zu werden. Ihr Vater hatte sich offensichtlich aus dem Staub gemacht. War sie auch von anderen zurückgewiesen worden? Er würde es herausfinden. Gabe wollte wissen, was sie bewegte. Deshalb war er hier.
Er klopfte noch einmal. Das Haus hatte ihn überrascht, wie so viele andere Dinge, die Chastity betrafen. Dabei mochte er keine Überraschungen, denn sie bedeuteten, dass er nicht gut genug informiert gewesen war.
Das verwitterte Haus aus Zedernholz, das an einer einsamen Stelle an der felsigen Westküste lag, war nicht zu vergleichen mit der Wohnung am Hafen, in der Chastity und Tom gelebt hatten. Dieses Haus war sicher auch nicht billig gewesen – Grundstücke mit Meeresblick waren immer teurer – doch das war auch schon alles, was die beiden Häuser gemeinsam hatten. Das Apartment war modern und luxuriös gewesen, mit großen Palmen in der Marmorlobby. Die wenigen Bäume, die es gewagt hatten, hier in dem abschüssigen Gelände Wurzeln zu schlagen, waren dagegen vom Wind gebeugt.
Als sich auch auf sein zweites Klopfen hin nichts regte, wollte Gabe schon zu seinem Maserati zurückgehen. Doch da hörte er neben dem Rauschen der Brandung ein anderes Geräusch. Also änderte er die Richtung und ging um das Haus herum nach hinten.
In einer geschützten Ecke des Gartens hockte eine Frau mit Chastitys Gesicht und Figur neben einem frisch gepflanzten Strauch. Das blonde Haar der Frau war nachlässig zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie trug Shorts, die aussahen, als wären sie – vor langer Zeit – einmal eine Jeans gewesen, sowie ein ausgeblichenes rotes T-Shirt. In diesem Moment wurde Gabe bewusst, dass er Chastity immer nur in Schwarz und Weiß gekleidet gesehen hatte. Sogar schon vor Toms Tod meistens in Schwarz. Eine Schaufel lag neben ihr auf dem Boden, und sie hielt einen kleinen Spaten in der Hand, doch ihr Blick war auf den blauen Ozean gerichtet.
Sie sah unglaublich zerbrechlich und einsam aus. Gabe verspürte eine merkwürdige Leere in seiner Brust. Am liebsten wäre er zu ihr gegangen und hätte sie in die Arme geschlossen.
Chastity drehte den Kopf und riss die Augen auf. Als sie aufsprang, strich sie über ihre Sachen, verteilte dadurch aber nur Dreck auf ihrem T-Shirt. „Was machst du hier?“
Mit eisernem Willen drängte Gabe die Schwäche, die er eben verspürt hatte, zurück. Schließlich war er hier, um Chastity dazu zu bringen, sich ihm gegenüber kooperativ zu verhalten, nicht umgekehrt. Er hob ein kleines Päckchen hoch. „Dir ein Geburtstagsgeschenk als Friedensangebot bringen.“
„Oh. Danke“, meinte sie zögernd. „Woher weißt du, wann ich Geburtstag habe?“
„Du hast am gleichen Tag Geburtstag wie Dad. Deshalb konntest du mit Tom doch letztes Jahr nicht zu Dads Geburtstagsessen kommen, erinnerst du dich?“
Sie nickte langsam.
Gabe deutete auf den frisch gepflanzten Strauch. „Eine interessante Art, deinen Geburtstag zu
Weitere Kostenlose Bücher