Kalte Spur
um zu zeigen, wie gleichgültig ihr
das war, und nahm einen großen Schluck Wein. Ihr Blick glitt von Joe zu Clancy und Helen, während Marybeth ihrem Mann berichtete.
»Letzte Woche hat Marie erfahren, dass Cam versucht, heimlich die Overstreet Ranch zu erwerben, und dass der ungenannte Interessent, von dem er immer sprach, er selbst ist. Die Einzigen, denen er davon erzählt hat, sind offenbar seine Eltern. Er hat ihnen gesagt, er wolle ihre alte Ranch zurückkaufen, doch sie seien dort nicht erwünscht. Hinter seinem Plan steckte aber nicht nur Nostalgie. Habe ich bisher alles richtig wiedergegeben, Marie?«
»Vollkommen.«
»Wie du weißt, Joe, hat dieses Haus dem früheren Urkundsbeamten als Archiv gedient. Cam hat gern in den alten Akten geblättert, um sich über die Eigentumsgeschichte der Gegend kundig zu machen. Dabei ist er anscheinend auf die Akte der Overstreet Ranch gestoßen und hat entdeckt, dass der Vater der beiden Schwestern die Bodenrechte lediglich auf fünfzig Jahre verpachtet hatte und sie in zwei Jahren an den Eigentümer zurückfallen. Die Schwestern Overstreet wussten nichts davon. Sie glaubten, ihr Vater habe die Bodenrechte ein für alle Mal verkauft.«
»Cam würde also zu einem sehr anständigen Prozentsatz am Gewinn aus dem auf seinem Grund und Boden geförderten Gas beteiligt«, konstatierte Joe.
Marie schnalzte.
»Wussten Sie von diesem Plan?«, fragte er.
»Aber nein. Das hat er mir erst heute Morgen gestanden. Ich war so wütend auf ihn! Man glaubt, einen Menschen zu kennen … Ich bin anständig, Joe«, fuhr sie fast flehentlich fort. »Marybeth weiß das. Deshalb habe ich mich geweigert, ins Büro zu kommen. Ich würde die beiden alten Schwestern
nie auf diese Weise übervorteilen. Cam wusste das, deshalb hat er mir ja nichts davon erzählt.«
Und auch Stuart Tanner hat es gewusst, dachte Joe. Er hat es entdeckt, als er für sein Gutachten die ÖGB-Rechte prüfte. Vermutlich stand das in der Akte, die er Cam Logue damals gab.
Marybeth setzte ihren Bericht fort: »Also, Clancy und Helen hatten beschlossen, Cam zu besuchen. Als sie erfuhren, dass er die Ranch zurückzukaufen versuchte, wollten sie laut Marie auch dort wohnen. Bis dahin wusste nur Cam von den Bodenrechten. Clancy und Helen fanden, die Ranch sei ein guter Ort für ihren Lebensabend.«
»Allerdings«, sagte Clancy trotzig. »Da tut der Junge einmal im Leben das Richtige, und dann will er es nicht teilen.«
Joe warf Marie einen Blick zu. Sie sah Clancy aus schmalen Augen an.
»Bitte«, meldete Marybeth sich erneut zu Wort. »Lasst mich die Geschichte zu Ende bringen.«
Clancy schnaubte, lehnte sich aber zurück.
»Marie hat mir erzählt, dass Cam einen Bruder Eric hat. Er ist Militärarzt und hatte vor einigen Jahren schwere psychische Probleme, eine Art Zusammenbruch. Er war angeklagt, einige seiner Patienten vorsätzlich verletzt zu haben …«
»Das war kein Vorsatz«, mischte Helen sich ein.
»Mund halten«, mahnte Marie, hob die Pistole und nahm sie ins Visier. Helen presste die Lippen zusammen, doch ihre Augen funkelten.
»Möglicherweise hat er aufgrund seiner Erkrankung Patienten verletzt.« Marybeth bemühte sich um Worte, die keine Seite empörten. »Jedenfalls ist Erics Freund, ein Krankenpfleger, mit Clancy und Helen in ihrem Pick-up mit Camperaufbau hergekommen. Hast du den Wagen draußen gesehen?«
Joe nickte.
»So haben sie Erics Freund hergebracht: in einem verriegelten Camperaufbau.«
Joe musterte Clancy und Helen. Sie wirkten nicht wie Ungeheuer, sondern wie nahezu mittellose Ruheständler.
»Offenbar ist er den beiden entkommen. Gut möglich, dass er in dem Schuppen wohnte, den unsere Mädchen entdeckt haben, aber das wissen wir noch nicht.«
Joe war verwirrt. »Warum haben Sie ihn hergebracht?«
Clancy und Helen tauschten einen Blick.
»Wenn ihr nicht redet«, sagte Marie, und es klang wie ein Singsang, »muss ich schießen.«
Helen räusperte sich. »Bob tauchte unangekündigt bei uns in South Dakota auf und suchte Eric. Unser Sohn bat uns, ihn hierherzubringen.«
»Cam hat euch darum gebeten?«, fragte Marie ungläubig.
»Nicht Cam«, erwiderte Helen. »Eric.«
»Was?« Maries Gesicht wurde rot.
»Bleib bitte ruhig«, sagte Marybeth.
»Eric wollte, dass ihr dieses Stück Dreck zu uns nach Hause bringt?« Maries Stimme wurde schrill. »Dorthin, wo eure Enkelin lebt?«
»Bob ist gar nicht so übel«, warf Clancy ein. »Nur was er sagt, ist schlecht zu
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