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Kalte Spur

Kalte Spur

Titel: Kalte Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
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Kleidung war zerfetzt, der Bart zottelig, und das fettige Haar stand ihm wirr und steif vom Kopf. Er saß auf dem ausgestreckten Nate, die Knie neben Romanowskis Kopf. Nate blutete stark, und seine blasse Hand war leblos abgespreizt.
    Als Joe auf die Wiese gerast kam, sprang Eric auf, warf einen raschen Blick auf das halb vollendete Geschäft am Boden, drehte sich um und rannte mit den Bewegungen eines schwerfälligen Tiers zum Fluss.

    Sheridan stützte sich mit großen Augen am Armaturenbrett ab, als Joe an Nate vorbeijagte, um Eric zu verfolgen. Blitzschnell verringerte sich der Abstand zwischen Wagen, Arzt und Fluss, und Joe sah Logue einen panischen Blick über die Schulter tun, ehe der Pick-up ihn erwischte.
    Beim Aufprall verbogen sich Kühlergrill und Motorhaube, und Eric landete mit einem Platsch im Wasser. Joe trat auf die Bremse und kam schlingernd am Ufer zum Stehen.
    Vater und Tochter stiegen aus, und Maxine sprang ihnen nach.
    »Mann, Dad …«, begann Sheridan kreidebleich. »Ich meine … wow!«
    Er musterte das Wasser. Es war dunkel und tief, und an der Oberfläche kräuselten sich allein die Wellen, die Erics wuchtiger Abgang ausgelöst hatte. Der Arzt war wie ein Stein versunken, doch Joe fragte sich, ob er ihn hart genug erwischt hatte, um ihn sofort zu töten. Er wünschte, Sheridan hätte das nicht miterlebt.

    Nate atmete und hatte die Augen offen, als Joe und Sheridan zu ihm kamen. Der Schnitt auf der linken Gesichtshälfte war tief und blutete stark, und die Haut war wie ein Lappen umgeklappt. Joe kniete nieder, stellte fest, dass sie Eric aufgescheucht hatten, ehe er Romanowski tödlich verwunden konnte, und strich die Haut versichtig an ihren Platz zurück.
    »Au«, stöhnte Nate schwach.
    »Bleib liegen«, sagte Joe und war noch immer zittrig. »Nicht aufsetzen. Ich ruf die Sanitäter.«
    Sheridan zog ihren Kapuzenpulli aus, sank auf die Knie und drückte ihn an die Wunde.
    Joe lief zum Pick-up und schaltete das Mikro ein.

    Von der Funkzentrale erfuhr er, der Rettungswagen sei in zwanzig Minuten an Ort und Stelle.
    »Das dauert aber lange«, meinte er verärgert.
    »Der Wagen ist unterwegs«, fauchte Wendy zurück. »Sie sind ziemlich weit draußen, wissen Sie.«
    Beim Stall sah er Nate und Sheridan miteinander reden. Der wird schon wieder, dachte er, doch er wird eine ziemliche Narbe davontragen.
    Erstmals seit ihrer Ankunft atmete er tief durch. Seine Hände zitterten, und er hatte einen trockenen Mund.
    Er schaute auf den Fluss, auf seine trügerische, kraftstrotzende Ruhe. Am anderen Ufer ragte eine rote Felswand auf, die vereinzelt mit zähem Salbeigesträuch bewachsen war. Dann sah er dort, wo der Twelve Sleep River in sachtem Bogen aus seinem Blickfeld floss, wie Eric Logue sich aus dem Wasser zog.
    Der Arzt hievte sich ins ufernahe Weidengebüsch, kroch auf allen vieren zu einem schmalen Spalt der roten Klippe und verschwand darin.

    »Bleib bei ihm, bis die Sanitäter kommen«, sagte Joe zu Sheridan, prüfte das Magazin und lud seine Flinte durch. Er hatte ihr den Erste-Hilfe-Kasten gegeben, damit sie Nate eine sterile Kompresse auflegen konnte, weil ihr Pullover inzwischen blutgetränkt war. »Gute Arbeit, Schatz.«
    Sheridan blickte besorgt auf. »Wo gehst du hin?«
    »Flussabwärts.«
    Romanowski musterte ihn argwöhnisch und begann, sich aufzusetzen.
    »Liegen bleiben, Nate«, sagte er.
    »Dir sollte eins klar sein, Joe. Wir haben darauf gewartet,
dass Eric Logue auftaucht. Wir wussten, dass es eines Tages so weit ist.«
    Joe zögerte.
    »Beide sind Gesandte«, fuhr Nate fort, »Eric Logue und der Bär. Es ist zwar eigentlich nicht ihr Kampf, aber du musst ihn den beiden lassen. Es muss nun zu Ende sein.«
    Joe sah erst ihn, dann Sheridan an.
    »Wenn du nächstes Mal träumst, dass etwas Böses naht«, sagte er zu seiner Tochter, »nehme ich das ernst.«
    Sie nickte mit großen Augen.
    »Wird ja auch Zeit«, meinte Nate.

    Einen halben Kilometer vor der Stelle, an der Joe Eric hatte auftauchen sehen, führte ein alter Steg über den Fluss, den ein ungarischer Bergmann namens Scottie Balyo in den 1930er Jahren gebaut hatte. Scottie hatte die schmale Brücke benutzt, als er in den Vorbergen nach einer geheimen Goldader schürfte. Wegen verrotteter oder fehlender Bretter war der Überweg nicht länger sicher, doch Joe arbeitete sich langsam hinüber, indem er nicht auf die Planken trat, sondern sich von vornherein mit den Stiefeln breitbeinig am Geländer entlangschob. Das Holz

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