Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalte Spur

Kalte Spur

Titel: Kalte Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
aber wenn Sie es erschwingen können, kaufen Sie sich wenigstens eine gültige Kurzzeiterlaubnis, ja?«
    Nicht-Ike nickte und konzentrierte sich darauf, das Papier zu falten und wieder in die Westentasche zu schieben. Dabei verzog er das große Gesicht. Seine motorische Koordination war schwach, und obwohl er die Angelschnur anmutig auswarf,
brauchte er zehn Minuten, um die Weste zuzuknöpfen, und noch länger, um einen Köder an der Schnur zu befestigen. Er hat alle Zeit der Welt, dachte Joe – all die Geduld, die gierige, ungestüme Angler wie Jeff O’Bannon so gar nicht an den Tag legten.
    »Okay«, sagte Nicht-Ike. »Bekomm ich jetzt einen Strafzettel?«
    Joe schüttelte den Kopf. »Besorgen Sie sich einfach die neue Erlaubnis, ja?«
    Der Angler sah auf, und eine plötzliche Sorge verdüsterte seine Miene. »Haben Sie den Schlitzer schon gefunden?«
    »Nein.«
    Nicht-Ike trat an Joe heran. »Ich glaube, ich hab sie im Stadtzentrum gesehen, in dem Durchgang – Stunden bevor die beiden Männer getötet wurden.«
    »Ach?«
    »Ich hab ein Stück flussaufwärts geangelt, hinter der Biegung. Das hab ich Barnum und diesem Hilfssheriff gesagt. Und sogar dem Kerl vom FBI.«
    Joe wusste nicht recht, was er fragen sollte. »Und wie sahen sie aus?«
    »Drahtig. Behaart und drahtig. Unheimlich. Sie standen in dem dunklen Durchgang.«Er wies in Richtung der schmalen Gasse, die hinter den Gebäuden an der Hauptstraße verlief.
    »Und da ist noch was.«
    »Nämlich?«
    Nicht-Ike näherte sich, bis sein Mund Joes Ohr fast berührte, und senkte theatralisch die Stimme: »An dem Abend hab ich drei Fische gefangen.«

    »Tuff starb vermutlich an einer massiven Kopfverletzung«, berichtete der Leichenbeschauer von Twelve Sleep County, als er sich auf Joes Anruf endlich zurückmeldete. »Dass ein schweres Schädeltrauma vorliegt, war bereits klar, bevor wir die Leiche ins FBI-Labor nach Virginia schickten. Die Wunde sah aus, als hätte jemand mit einem Hammer oder Baseballschläger zugehauen, aber wahrscheinlich ist Tuff, als sein Pferd ihn abwarf, auf einen Stein geprallt. Wir haben dort oben an einem Fels Blut und Gewebe gefunden.«
    »Und die Autopsie?«, fragte Joe. Er lenkte gerade seinen Wagen. »Irgendwas Ungewöhnliches?«
    »Nein. Er hatte 1,5 Promille, war also im juristischen Sinne betrunken. Aber ich glaube, das ist beim Reiten nicht verboten.«
    »Und Sie haben nichts Seltsames gefunden? Toxikologisch vielleicht?«
    Joe hörte blecherne Country-Hintergrundmusik durch die Leitung dringen.
    »Nur die offensichtlichen Verstümmelungen und die Bissspuren Ihres Grizzlys.«
    Joe rollte die Augen. Schon wieder war es sein Bär.
    »Haben Sie mit dem Leichenbeschauer von Park County über den anderen Toten gesprochen? Oder soll ich ihn anrufen?«
    »Mit Frank hab ich gestern telefoniert. Wir sind befreundet. Grundsätzlich kam er bei Mr. Tanner zu ähnlichen Befunden: Der Tod wurde vermutlich ebenfalls durch eine Schädelverletzung mit einem stumpfen Gegenstand herbeigeführt. Frank hält es für denkbar, dass die Verletzung nicht sofort tödlich war. Vielleicht hatte das Opfer eine schwere Gehirnerschütterung und bekam die Haut bei lebendigem Leib abgezogen.«

    »Ach du Schreck.« Joe fröstelte.
    »Ja.«
    »Und sonst?«
    »Tja, Franks Leiche wies keine Verletzungen auf, wie wir sie bei Tuff Montegue festgestellt haben. Das Opfer scheint am Todesort aufgefunden worden zu sein, es wurden keinerlei Spuren von Aasfressern entdeckt. Ihr Grizzly hat es nicht bis nach Park County geschafft, nehme ich an.«
    »Richtig«, antwortete Joe, dachte dabei aber an etwas anderes. »Danke, Jim.«
    »Gern geschehen. Das Ganze hab ich auch schon mit Sheriff Barnum und mit Portenson vom FBI durchgekaut.«
    »Ich weiß«, erwiderte Joe, in Gedanken immer noch weit weg.

    Am anderen Ende von Saddlestring bog Joe nach der Stadtgrenze auf den unbefestigten, zerfurchten Parkplatz der Bärenfalle ab, eines Clubs mit Sperrzeitverkürzung. Die wenigen, kleinen Fenster des einstöckigen, aus Betonschalsteinen errichteten Baus waren vergittert, und am Eingang meldete ein verwitterndes Schild: »Nur für Mitglieder«. Das Gebäude wirkte wie ein Bunker. Fünf ramponierte Pick-ups parkten kreuz und quer davor. Die Bärenfalle umging das Spirituosengesetz, indem es sich als Privatclub deklarierte, und war auf Trinker ausgerichtet, die auch dann noch durstig waren, wenn in Saddlestring die Kneipen um zwei Uhr morgens zusperrten. Im Vergleich zu diesem

Weitere Kostenlose Bücher