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Kalte Spur

Kalte Spur

Titel: Kalte Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
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Während seine Freunde spät nachts noch Horrorfilme geguckt hatten, hatte er seelenruhig neben ihnen geschlafen. Sheridan jedoch war anders, und das seit jeher. Er hoffte, sie würde den Träumen entwachsen.

    Jemand hatte den Kadaver weggezerrt. Eine plattgedrückte Spur führte durch das Gras in einer kantigen S-Kurve zur nördlichen Kiefernwand. Neugierig folgte er ihr.
    Der ausgewachsene Bulle hatte mindestens dreihundert Kilo gewogen. Ihn so weit zu schleifen, erforderte immense Kräfte. Joe wäre nicht erstaunt gewesen, die Spuren eines Pick-ups oder Quads auf der Wiese zu entdecken, aber nichts dergleichen. Ob ein Grizzly das tote Tier weggeschafft hatte? Während er der Spur lautlos über die Wiese folgte, versuchte er, im dunklen Wald vor sich etwas zu erkennen. Die absolute Stille irritierte ihn – kein Eichhörnchen fiepte in den Bäumen,
kein Häherruf in der Luft. Bis auf das leise Summen der Insekten im Gras zu seinen Füßen und den kühlen Herbstwind, der durch die Kronen strich, war es totenstill. Wieder spürte er, wie ihm ein Frösteln das Rückgrat hinauflief und sich ihm die Haare im Nacken und auf den Unterarmen sträubten.
    Er konnte sich das seltsame Gefühl nicht erklären, das ihn auf der Wiese erneut befiel. Es war, als drückte etwas von allen Seiten auf ihn ein, nicht kräftig, aber stetig. Die herbstlich frische Bergluft fühlte sich schwer an und hinterließ beim Einatmen ein nasses, erdrückendes Gefühl in der Lunge. Als er auf die Wand aus Bäumen und die Granithänge sah, die dahinter aufragten, flimmerte es unangenehm vor seinen Augen.
    Joe streifte sich den Gurt des Koffers mit dem Sezierbesteck über, um die Hände frei zu haben, zog seine halbautomatische Waffe und lud sie durch. Mit der linken Hand nahm er das Bärenspray aus dem Gürtel und entsicherte es. Vorsichtig näherte er sich dem dunklen Waldrand, Pistole in der Rechten, Spray in der Linken. Hoch konzentriert gab er sich alle Mühe, etwas zu sehen, zu hören oder zu riechen, das ihn warnen könnte, ehe es zu spät war.
    Da entdeckte er die Bärenspur. Die mächtige Pfote war groß wie ein Kuchenteller und hatte die Pflanzendecke durchstoßen, sodass dunkles Erdreich zu sehen war. Er konnte den Fersenabdruck im Mutterboden deutlich erkennen und auch den der einzelnen Zehen. Im Abstand von fast fünf Zentimetern hatten die Krallen klar umrissene Löcher in den Boden gestanzt, als hätte jemand einen Rechen hineingeschlagen. Diese Spuren stammten gewiss von einem Grizzly. Kein heimischer Schwarzbär hätte so einen Abdruck hinterlassen. Seltsam jedoch, dass die Spur zu ihm wies und nicht in den Wald. Warum führte sie nicht von der Wiese weg?
    Dann verstand er: Der Bär hatte den Elch mit den Zähnen
am Nacken gepackt und rückwärts von der Wiese geschleift wie ein Welpe eine Socke. Da der Fersenabdruck tiefer als die Klauenspuren war, hatte er mit dem Kadaver zu kämpfen gehabt und sich gegen den Boden gestemmt, um die Zugkraft zu erhöhen.
    Joe warf einen raschen Blick auf das Spray und seine .40er Beretta. Zu klein, dachte er, zu mickrig. Wahrscheinlich würde er ohnehin danebenschießen, weil er mit Handfeuerwaffen miserabel zielte; doch auch wenn er träfe, würde das den Bären wohl lediglich wütend machen.
    Er dachte einen Moment nach, zuckte dann die Achseln und setzte seinen Weg fort. Im Unterholz war eine Schneise zu erkennen. Äste waren umgebogen und zurückgeschnellt oder abgebrochen. Als Joe in den tiefen Schatten der Kiefern trat, blinzelte er. Der Wald stand unnatürlich dicht und war überdies voller Totholz. Die Stämme waren nur baseballschlägerdick. Joe senkte die Schulter und arbeitete sich hindurch.
    Der dunkle und trockene Waldboden war mit einem dicken Teppich bronzener Nadeln übersät. Joes Stiefel sanken bei jedem Schritt ein, der Untergrund federte. Es roch nach Kiefern, pflanzlicher Verwesung und nun auch streng nach dem Elch, dessen Gestank er zuvor nicht bemerkt hatte.
    Als seine Augen sich an das Halbdunkel gewöhnt hatten, schien der Bullenkadaver direkt vor ihm aus dem Boden aufzutauchen. Der Gestank war plötzlich überwältigend. Joe trat einen Schritt nach hinten und stieß mit den Schultern gegen zwei Stämme, die ein weiteres Zurückweichen verhinderten. Mit angehaltenem Atem holsterte er seine Pistole, nestelte einen Atemschutz, wie Chirurgen ihn trugen, aus dem Koffer, streifte sich den Gummizug über den Kopf und rückte ihn vor Nase und Mund. Dann schmierte er aus einem

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