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Kalte Stille - Kalte Stille

Titel: Kalte Stille - Kalte Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wulf Dorn
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Nachhauseweg, sondern ging in Richtung der Neubausiedlung. Gegenüber des Love Palace befand sich eine Bushaltestelle. Er fuhr mit dem Finger den Fahrplan ab, fand nach einigem Suchen den richtigen Straßennamen und die Nummer der zugehörigen Buslinie und stellte sich unter die Plastiküberdachung.
    Dort wartete er in der eisigen Morgenstille. Nur hin und wieder kam ein Auto vorbei. Dann hörte er das Klacken von Absätzen auf dem Asphalt und gleich darauf stellte sich Dunja neben ihn.
    »Hallo«, sagte sie und lächelte ihn an. Er konnte ihr schweres Parfüm riechen. »So früh auf den Beinen?«, fragte sie und kramte eine Monatskarte aus ihrer Handtasche. »Endlich Feierabend. Ich brauch jetzt dringend ein Bett. Eins zum Schlafen.« Sie kicherte.
    Marenburg schlug die Augen nieder und betrachtete die Salzränder auf seinen Lederschuhen.
    »Bist heute wohl nicht zum Sprechen aufgelegt, was?«, fuhr sie fort, und ihr ukrainischer Akzent trat stärker zum Vorschein. »Schon in Ordnung. Es muss dir nicht peinlich sein, dass wir hier zusammenstehen. Ich steige nachher hinten ein, ja?«
    Er nickte, ohne sie anzusehen. »Bitte lass mich in Ruhe.«
    »Du Armer. Du siehst wieder so traurig aus. Komm mal wieder bei mir vorbei. Ich kann dich aufmuntern. Das weißt du doch.«
    Marenburg war kurz davor, sie anzufahren, sie solle ihn endlich in Ruhe lassen, doch in diesem Moment kam der Bus.
    Wie versprochen setzte sich Dunja ans hintere Ende, ohne ihn noch einmal anzusehen. Marenburg nahm in
der vordersten Reihe Platz. Er hatte die Hände noch immer zu Fäusten geballt.

42
    Das Foto zeigte Ralf Steffens. Er saß vor einer Eisdiele auf dem Fahlenberger Marktplatz, hatte die Augen wegen der Sonne ein wenig zusammengekniffen und grinste den Fotografen über einen großen Früchtebecher hinweg an. Das Foto musste vor nicht allzu langer Zeit aufgenommen worden sein, wahrscheinlich diesen Sommer.
    Konrad Fuhrmann und Lutz Bissinger hatten das Bild ihres Kollegen in einen kleinen Aufstellrahmen aus hellem Holz gesteckt und auf einem Beistelltisch im Stationszimmer platziert. Um die rechte Ecke des Rahmens hatten sie ein schwarzes Trauerband gelegt. Daneben, an der Stelle, an der normalerweise die Kaffeemaschine ihren Platz hatte, brannte eine Kerze in einem rotlackierten Glasgefäß.
    Während der morgendlichen Übergabe herrschte gedrückte Stimmung im Stationszimmer. Mit monotoner Stimme berichtete Konni von den Ereignissen der letzten Nacht.
    Nur das Übliche. Zwei Patienten hatten wegen Schlaflosigkeit von ihrem zusätzlichen Medikamentenbedarf Gebrauch gemacht, sonst war alles ruhig gewesen.
    Lutz saß mit geistesabwesendem Blick daneben und kaute Kaugummi. Als Konni seinen Bericht abgeschlossen hatte und schon aufgestanden war, um in den Feierabend zu gehen, meldete sich Lutz zu Wort.

    »Ach ja, hätten wir fast vergessen«, sagte er und hielt Jan eine Aktenmappe entgegen. »Eine Neuaufnahme. Heute Morgen, so gegen vier. Sollten Sie sich ansehen, Doktor. Hat bis jetzt noch nicht viel gesprochen.«
    Dann stand auch er auf und folgte Konni auf den Flur, um abzustempeln, während sich die Kollegen der Frühschicht um das Frühstück der Patienten kümmerten.
    Auch Jan erhob sich, schenkte Ralfs Bild einen schnellen Blick im Vorbeigehen und machte sich auf den Weg in sein Büro.
    Jan kämpfte gegen seine Niedergeschlagenheit an. Er wünschte sich insgeheim in den Park zu der Tanne, gegen die er gestern getreten hatte, bis der Hund aufgetaucht war. Ihm war sehr danach, der Tanne weitere Tritte zu verpassen - einfach so, zur Erleichterung - und dabei wie am Spieß zu schreien. Aber wahrscheinlich wäre er dann über kurz oder lang hier in der Waldklinik gelandet. Ohne Arztkittel.
    Jan schüttelte den Gedanken ab und widmete sich der Akte. Er überflog die Personalien. Wenige Schritte vor seiner Bürotür blieb er abrupt stehen. Er sah sich zu Lutz um, der gerade hinter Konni die Station verlassen wollte.
    »Moment noch!«, rief er ihm nach.
    Der klapperdürre Pfleger sah sich um. »Was denn?«
    »Auf welchem Zimmer ist sie?«
    »Nummer acht«, entgegnete Lutz.
    »Danke.« Jan sah noch einmal auf den Namen, der in Konnis krakeliger Handschrift in der Akte stand, und schüttelte den Kopf.
    Nummer acht war ein Doppelzimmer, das momentan jedoch nur mit einer Patientin belegt war. Spätestens in vier Wochen würde sich das jedoch ändern. Um Weihnachten würde es hier kein freies Bett mehr geben.

    Jan klopfte an, und als er von drinnen

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