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Kalte Stille - Kalte Stille

Titel: Kalte Stille - Kalte Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wulf Dorn
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gelungen war, die beiden Streithähne zu trennen, hatte Alfred Markos Nasenbein gebrochen und ihm zwei Schneidezähne ausgeschlagen.

    Danach wollte keiner mehr neben dem Spinner auch nur sitzen, geschweige denn mit ihm spielen.
    Kurze Zeit später sorgte Alfreds Vater für neues Gerede im Ort. In Windeseile hatte sich herumgesprochen, dass Hartmut Wagner in einem weiteren Wahnanfall Unmengen von Konservendosen gekauft und sich bis zum Hals verschuldet hatte. Daraufhin war er wieder in die »Klapse« gebracht worden, wo er nach drei Tagen mit einem abgerissenen Stromkabel im Kleiderschrank des Krankenzimmers seinem Leben ein Ende gesetzt hatte. Alfred war aus dem Kindergarten genommen und in ein Heim gebracht worden. Danach hatte Jan nichts mehr von ihm gehört.
    Bis heute.
    Jan erkannte Alfred sofort wieder. Auch wenn sie sich zuletzt als Kinder gesehen hatten, waren das sommersprossige Gesicht, der struppige rote Haarschopf und die eng stehenden wasserblauen Augen unverkennbar. Und noch immer hatte er diesen sengenden Blick.
    In diesem Moment stand er im Stationszimmer der geschlossenen Abteilung von Station 9, wo er Jans Kollegin Andrea Kunert mit dem linken Arm an sich presste. Mit der rechten Hand hielt er ihr eine Spritze an die Kehle.
    »Er hat nach Ihnen verlangt«, keuchte Konni, der mit seinen beiden Kollegen dem Pflegepersonal der geschlossenen Abteilung zur Hilfe geeilt war.
    Auf dem Flur drängten sich die Patienten um den gläsernen Vorbau des Stationszimmers und beobachteten das Geschehen hinter den Panzerglasscheiben. Zwar versuchten die Pfleger, die Patienten auf ihre Zimmer zurückzubringen, doch die Neugier trieb sie schnell wieder
auf den Flur zurück, kaum dass ihnen die Pfleger den Rücken zugewandt hatten.
    »Helfen Sie den anderen, und schicken Sie die Leute in ihre Zimmer«, wies Jan den Pfleger an. »Und rufen Sie den Sicherheitsdienst. Er soll vor dem Eingang warten, falls wir ihn brauchen. Nur für den Notfall, verstanden?«
    Konni nickte und holte sein Diensthandy aus der Kitteltasche. Jan ging auf die verschlossene Glastür zu, hob seinen Schlüssel, damit Alfred ihn sehen konnte, und sperrte auf.
    Bisher hatte Jan mit Andrea Kunert nicht viele Worte gewechselt. Zwar waren sie sich schon ein paarmal begegnet, aber mehr als einen kurzen Gruß hatte es zwischen ihnen beiden nicht gegeben. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie sich »nicht ganz grün« waren, wie Jans Mutter es immer ausgedrückt hatte. Jan mochte die überhebliche Art in Andrea Kunerts Blick nicht, und was immer sie im umgekehrten Fall an ihm nicht leiden konnte, ihre Ablehnung stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. Doch nun sprach aus ihrem Blick nur noch eines: Todesangst.
    Mit schreckgeweiteten Augen starrte sie Jan an. Hinter ihr ragte Alfred wie ein Hüne auf. Die Spitze der Injektionsnadel hatte bereits die Haut über der Halsschlagader aufgeritzt. Ein feines Rinnsal Blut lief am Hals der Ärztin hinab und wurde vom Kragen ihres Kittels aufgesogen.
    Die Spritze enthielt eine grellblaue Flüssigkeit. Jan kannte kein Medikament, das eine solche Farbe gehabt hätte. Aber er musste nicht lange raten, worum es sich dabei handelte. Der beißende Geruch des Reinigungsmittels hatte sich längst in dem kleinen Raum
ausgebreitet. Wenn Alfred seiner Geisel die hypochlorische Säure in die Halsschlagader spritzte, würde es nur Sekundenbruchteile dauern, ehe sie das Gehirn erreichte.
    »Hallo, Alfred.« Jan bemühte sich um einen ruhigen Tonfall. Durch seinen jahrelangen Umgang mit geistesgestörten Straftätern wusste er, dass es jetzt wichtig war, keinerlei Emotionen zu zeigen. Er durfte Alfred nicht das Gefühl geben, allein Herr der Lage zu sein. »Man hat mir gesagt, dass du mich sprechen willst.«
    »Allerdings.« Alfred schwitzte mindestens ebenso sehr wie seine Geisel und sah Jan mit seinen durchdringenden Augen an. »Ich weiß alles über dich, Jan. So wie ich alles über alle weiß. Du bist jetzt auch so ein Seelenklempner wie dein Vater einer war.«
    »Ja, das bin ich.«
    Jan deutete auf seine Kollegin, die ihn mit flehendem Blick anstarrte. Ihre Lippen zitterten, aber sie sagte nichts, wohl wissend, dass Alfred Wagner in seiner momentanen Verfassung einer tickenden Zeitbombe glich.
    »Was bezweckst du damit, Alfred? Wenn du mich sprechen willst, hätte es doch genügt, das einfach nur zu sagen.«
    »Ach ja?« Mit einem spöttischen Grinsen bleckte Alfred die Zähne. »Dann frag mal die blöde Kuh hier. Komm

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