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Kalte Stille - Kalte Stille

Titel: Kalte Stille - Kalte Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wulf Dorn
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Weil sie einsam sind.«
    »Ich verstehe«, sagte Jan und nickte mit ernsthafter Miene. »Und von wo reden sie mit dir?«
    Alfred grinste. »Ja, ja, ich weiß schon, du willst jetzt von mir hören, dass sie in meinem Kopf sind. Und dann willst du mir erzählen, dass ich doch verrückt bin, weil ich Stimmen höre. Hat diese blöde Schlampe auch gesagt. Aber das stimmt nicht, Jan. Die Toten sind nicht in meinem Kopf.«

    »Wo sind sie dann?«
    Alfred ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. »Na, überall. Sie reden aus dem Kleiderschrank, aus der Waschmaschine oder aus dem Wasserhahn. Sie sind sogar im Radio, man muss nur genau hinhören.« Er stieß ein Kichern aus. »Wenn du wüsstest, wer schon alles zu mir gesprochen hat. Hitler zum Beispiel. Dieser kranke alte Sack redet immer aus dem Spülkasten im Klo. Oder dieser Heilige, Pater Pio. Kennst du den?«
    »Nein, ich glaube nicht.«
    »Ist ein guter Mann«, sagte Alfred und nickte anerkennend. »Den treffe ich ab und zu im Beichtstuhl in der St.-Christopherus-Kirche. Dann riecht es da nach Rosen. Und kannst du dich noch an den alten Bestler Hans erinnern? Du weißt doch, der den Edeka-Laden gehabt hat.«
    »Ja, den kenn ich noch. Hörst du ihn auch?«
    Alfred nickte und schmunzelte. »Seine Seele steckt jetzt in dem Zigarettenautomaten neben dem Ladeneingang fest.«
    »Wundert mich nicht«, meinte Jan. »Der hat ja auch gequalmt wie ein Schlot.«
    Ein Anflug von Vertrautheit kam zwischen den beiden auf. Jan konnte erkennen, wie sich Alfreds Gesichtszüge entspannten. Nicht mehr lange, und er konnte vielleicht versuchen, ihn zu überreden, die Spritze beiseitezulegen.
    »Wusste ich’s doch, dass du mich verstehst«, sagte Alfred. »Du warst damals schon ganz in Ordnung. Nicht so ein Arschloch wie die anderen.«
    »Freut mich, dass du das so siehst.«
    Alfred lächelte, aber in seinen Augen lag noch immer der Ausdruck des Jungen, wenn er der Spinner war. Er machte keinerlei Anstalten, die Spritze zu senken. »Ja,
ich kann sie alle hören. Ich hab sogar mal deinen toten Bruder gehört.«
    Es traf Jan so unvorbereitet, dass er den Schreck nicht verbergen konnte. Er fuhr zusammen, als habe Alfred es sich plötzlich anders überlegt und ihm die Spritze in den Hals gerammt.
    »Meinen Bruder?«
    »Ja, deinen kleinen Bruder. Sven. Ist schon lange her. Er gehört jetzt zu den Unterirdischen.«
    Wieder bekam Jan den Eindruck, Alfreds Blick könne ihm die Haut versengen.
    Vergiss es!, rief ihm seine innere Stimme zu. Alfred redet im Wahn, und wenn du jetzt nicht augenblicklich aufhörst, darauf einzugehen, wird das hier noch eskalieren!
    »Schade nur, dass du mir nicht glaubst«, sagte Alfred. »Das sehe ich in deinem Blick.«
    »Doch«, versicherte ihm Jan schnell. »Ich glaube dir. Was weißt du über Sven? Wieso ist er ein Unterirdischer?«
    Alfred grinste spöttisch. »Denkst du, ich kann eine Lüge nicht erkennen? Vorhin warst du nett, aber jetzt lügst du mich an. Jetzt bis du wieder wie die anderen hier.«
    »Nein, Alfred. Wirklich, ich glaube dir. Was hast du damals gehört?«
    »Du willst mich doch nur hinhalten, bis Verstärkung kommt. Wahrscheinlich sind sie schon längst da und kommen jeden Moment hereingestürmt«, sagte Alfred, und diesmal grinste er, als sei der letzte Funke Verstand aus ihm gewichen. »Aber weißt du was? Ihr könnt mich alle mal!«
    Damit stach er zu. Noch bevor Jan ihn daran hindern
konnte, trieb sich Alfred Wagner die Injektionsnadel in den Hals und drückte dabei den Kolben nieder.
    Jan schrie auf und sprang nach vorn. Er packte Alfreds Arm und riss ihn vom Hals weg, dann gingen sie zu Boden. Die Spritze fiel neben sie. Bis auf einen kleinen Rest Flüssigkeit war sie leer.
    Alfred begann zu zucken. Seine Augen verdrehten sich nach oben, bis nur noch das Weiß der Augäpfel zu erkennen war. Jan packte die Spritze und schob sie ihm quer zwischen die Zähne. Alfred krampfte und zuckte am ganzen Körper. Jan lag auf ihm und versuchte ihn davon abzuhalten, mit dem Hinterkopf auf den Fußboden zu schlagen, während Alfreds krampfender Körper ihn immer wieder hochwarf wie einen Reiter beim Rodeo.
    Jan konnte sich kaum auf ihm halten. Blutiger Schaum quoll aus Alfreds Mund, vorbei an der quer liegenden Plastikspritze und Jans Fingern, begleitet von einem gutturalen Schrei unsäglicher Schmerzen.
    Pfleger stürmten in den Raum. Sie packten Alfred Wagners Arme und Beine. Konni rief, das Notarztteam sei bereits unterwegs. Jan blieb auf Alfreds

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