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Kalte Stille - Kalte Stille

Titel: Kalte Stille - Kalte Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wulf Dorn
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Nathalies Tod geben könnt. Das ist verständlich, macht Nathalie aber nicht wieder lebendig. Ich denke, es ist besser, ihr lasst es dabei bewenden. Eure Trauer in allen Ehren, aber ihr solltet euch mit den Tatsachen abfinden.«
    Carla sah ihn spöttisch an. »Ach ja? Und das erzählst uns ausgerechnet du?«
    Jans Miene verfinsterte sich. »Ich glaube, ich gehe jetzt besser«, sagte er leise. »Ich habe noch Termine.«
    Ohne sich noch einmal umzusehen, verließ er das Gewächshaus.

31
    Der menschliche Körper ist wie ein Uhrwerk. Diese Feststellung hatte Hieronymus Liebwerk bereits vor vielen Jahren gemacht und war immer wieder darin bestätigt worden. Jeden Morgen, pünktlich um fünf, erwachte der Archivar - ohne dass er einen Wecker hätte stellen müssen -, pünktlich um zwölf bekam er Hunger, und unmittelbar nach den Tagesthemen wurde er müde.
    Dasselbe traf auf seine Blase zu, die sich zuverlässig dreimal am Tag meldete: kurz nach Dienstbeginn, während der Mittagspause und schließlich ein paar Minuten vor Feierabend. Deshalb musste der Archivar nicht einmal auf die Uhr schauen, um zu wissen, dass es kurz vor halb fünf war, als er die letzte Mappe in den Karton mit aussortierten Akten steckte.
    Er trug den Karton in den großen Archivraum, wo die Akten seit Jahrzehnten auf ihr Ende im Schredder warteten, und stellte ihn an den entsprechenden Platz. Dann machte er sich auf den Weg durchs Treppenhaus ins Verwaltungsgebäude, wo sich die Personaltoiletten befanden.
    Als er wenige Minuten später zurück zum Archiv kam, stutzte er. Die äußere Stahltür stand einen Spaltbreit offen.
    Liebwerk kratzte sich verwundert am Kopf. Gut, man musste das alte Ding kräftig zuziehen, damit das Schloss auch wirklich einrastete, aber mittlerweile war ihm dieser kleine Kraftakt doch längst in Fleisch und Blut übergegangen.
    Er betrat das Archiv und sah sich um. Niemand zu sehen.
    »Hallo? Ist da jemand?«

    Keine Antwort.
    Liebwerk schüttelte den Kopf. Er musste vorhin die Tür tatsächlich nicht richtig hinter sich zugezogen haben. Allmählich schien er wirklich alt zu werden …
    Und doch war es merkwürdig. Nach dem auf mysteriöse Weise verschwundenen Karton und dem durcheinandergeratenen Aktenstapel war es ihm in diesen Kellerwänden nicht mehr ganz geheuer. Und auch jetzt beschlich ihn das Gefühl, dass er möglicherweise doch nicht allein war.
    Jemand versteckte sich hier vor ihm, sagte ihm eine innere Stimme. Irgendwo zwischen den dunklen Regalen oder vielleicht im großen Archivraum.
    Wer weiß, vielleicht fange ich einfach an zu spinnen, dachte Liebwerk und leckte sich die spröden Lippen. Bestimmt habe ich zu viel in diesen Akten gelesen und werde nun auch paranoid .
    Er brauchte jetzt eine Zigarette. Dringend. Himmel, er glaubte sterben zu müssen, wenn er jetzt nicht gleich einen Zug nehmen konnte.
    Misstrauisch um sich schauend, ging Liebwerk zu seinem Tisch, schnappte sich die Schachtel und fingerte zitternd eine Zigarette hervor. Mit einer automatischen Handbewegung griff er nach seinem Feuerzeug, doch es lag nicht an seinem Platz.
    Ratlos rieb er sich den Nacken. Er hätte schwören können, dass er das Feuerzeug genau hier neben seiner Zigarettenschachtel abgelegt hatte. So wie immer. Aber da lag es nicht, ganz gleich, wie oft er auch hinsah.
    Wieder ließ Liebwerk den Blick durchs Archiv schweifen.
    »Ist da jemand?«, fragte er erneut und versuchte, möglichst energisch zu klingen.

    Stille.
    Wahrscheinlich hatte er das Feuerzeug vorhin eingesteckt, schlug ihm die Stimme in seinem Kopf vor. Er tastete seine Taschen ab und fand tatsächlich ein Feuerzeug, allerdings nicht das, das er heute tagsüber benutzt hatte.
    Er zündete die Zigarette an. Das Reibegeräusch des Feuersteins klang erschreckend laut. Liebwerk nahm einen tiefen Zug, spürte das vertraute Kratzen im Hals und fühlte sich gleich ein wenig besser. Er stieß den Rauch durch die Nase aus und lauschte.
    Nichts. Nur das Summen des Computerlüfters war zu hören.
    Da ist niemand.
    Oder doch?
    Ist da nicht ein leises Atmen?
    Nein, doch nicht.
    Das habe ich mir nur eingebildet.
    In der Hoffnung, er würde auf seine alten Tage nicht noch zum Insassen bei seinem Brötchengeber werden, legte er nach einem weiteren tiefen Zug die Zigarette im Aschenbecher ab und schlurfte zur Tür des großen Archivraums. Liebwerk wollte dort gerade das Licht ausschalten und die Tür schließen, als ihm ein kleiner roter Gegenstand auffiel. Er lag etwa fünf

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