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Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten

Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten

Titel: Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Toporski
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zieht es vor, da unten zu bleiben. Nur sein Haarbüschel ist zu sehen.
    Und das schnappe ich mir und ziehe. Ich habe gar nicht gewusst, wie gut ich ziehen kann.
    Huppe schreit laut, aber das soll er ruhig. Ich habe seinen Skalp in meiner Hand und hole ihn da unten vor. Er schreit immer noch, als er eine geklebt kriegt, und was für eine!
    »Seid ihr noch zu retten?!«, höre ich da. Natürlich hat keiner von uns gemerkt, dass Mama die Treppe heraufgekommen ist. Aber unser Geschrei war ja auch wirklich nicht zu überhören.
    »Ihr seid wohl nicht gescheit!«
    Und so fangen wir beide eine Ohrfeige.
    Aber mir ist das egal, der klaut mir jedenfalls so schnell keine Puppe mehr!
     
    Es ist Krieg, auch wenn wir hier nichts davon merken. Aber Papa ist eingezogen, das heißt, er ist Soldat und steht an der Front. Jetzt, 1944, brauchen sie jeden Mann, hat er uns erklärt. Auf Urlaub kommt er nur selten und wir vermissen ihn sehr, vermissen seine ruhige Sicherheit, seine Stärke. Sonst ist hier eigentlich alles normal. Seit zwei Jahren sind wir jetzt hier in Waly bei Kutno, mitten in Polen und nicht weit von Warschau. Vorher waren wir in Mauer in Schlesien und an den Hof dort kann ich mich noch gut erinnern. Der war zwar größer, eigentlich sogar ein Gut, aber gemütlicher ist es hier. Vielleicht, weil alles einfacher und schlichter ist. Strom haben wir nicht. Abends sitzen wir, wenn die Tage kürzer werden, bei Petroleumlicht und kuscheln uns aneinander, wenn Lisa, unser Kindermädchen, uns vor dem Schlafengehen vorliest oder eine Geschichte erzählt. Natürlich ist Lisa für die Kleinen da, aber Vorlesen ist einfach schön, auch für uns Große.
    Gut, dass der Hof kleiner ist als der in Schlesien, denn die meiste Arbeit hat Mama zu erledigen. Tagsüber kommt man jetzt gar nicht mehr richtig an sie heran, weil sie immer so viel zu tun hat. »Mama steht unter Dampf«, sagt Huppe. Aber dafür haben wir Lisa und die hat auch für uns Große immer ein Ohr. Zu ihr gehen wir, wenn wir mal jemanden brauchen. Wenn wir was loswerden wollen oder einfach mal heulen.
     
    »A niech to szlag trafi!«
    Staszek flucht. Er ist Pole und Knecht auf unserem Hof und stammt irgendwo hier aus der Gegend. Wenn Staszek flucht, sagen wir Kinder uns manchmal Bescheid und rennen hin. Zwar verstehen wir nicht, was er wirklich sagt, aber es klingt so urig, man kann sich dabei irgendwas vorstellen und sich gruseln. Staszek selber ist gar nicht zum Gruseln, Staszek ist nett. Er ist auch stark und bei ihm fühlt man sich aufgehoben. Manchmal macht er auch Witze, solche, die man ganz ohne Sprache versteht. Wie jetzt, wo er uns eine Grimasse schneidet.
    »Cholera!« – Das war extra für uns Kinder, denn er grinst zu uns herüber.
    Er wirft die Mistgabel in die Stallecke, dass sie wie abgestellt stehen bleibt, und schlendert hinüber zu den Pferdeboxen. Wenn er den Zweijährigen sattelt, ist Staszek ganz ruhig. Aber dem gefällt das gar nicht, denn er weiß, dass es jetzt ans Zureiten geht. Auf dem kleinen Stück Koppel ist das Gras ganz zertreten.
    »Ihr besser geht«, sagt Staszek zu uns und fast gleichzeitig hören wir vom Haus her die Mama: »Weg von der Koppel! Ihr kommt jetzt rein!«
    Zureiten ist gefährlich, und deswegen müssen wir dann immer ins Haus, auch Huppe und ich. Aber es ist auch spannend und so hängen wir alle in den Fenstern und schauen zur Koppel rüber. Manchmal kommt es auch vor, dass man Angst um den Reiter hat, denn einige der Pferde sind ganz schön wild. Früher hat Papa das Zureiten selber besorgt, aber jetzt, wo er an der Front ist, macht Staszek das.
    »Hej Max!«
    Es sieht nicht so aus, als ob der Zweijährige große Lust hätte, jemanden auf sich sitzen zu lassen. Er wehrt sich und bockt. Aber Staszek wird er nicht so schnell los. Der sitzt ganz ruhig und weiß, was er zu tun hat. Er flucht nicht einmal dabei! Max legt die Ohren an und sogar hier vom Fenster aus kann man das Weiße in seinen Augen sehen.
    »Max!«
    Max steht.
    »Hü!«
    Ein Bocksprung, der die meisten aus dem Sattel gehoben hätte, dann eine Diagonale mit eingestreuten Katzenbuckeln. Sieht echt komisch aus, ist aber ganz schön gefährlich. Max schnaubt und wirft den Kopf hoch. Auf einmal aber macht er ganz unerwartet zwei Sprünge zur Seite und uns stockt für einen Moment der Atem: Staszek rutscht seitlich herunter.
    Aber dann lässt er einen der besten Flüche los, die wir je von ihm gehört haben:
    »Ażeby cię cholero diabli wzię li!«
    Und steigt

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