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Kalter Mond

Kalter Mond

Titel: Kalter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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sank in die Knie und schnappte nach Luft.
    Er griff sich an ein großes Medaillon, das er um den Hals hängen hatte. »Sehen Sie«, sagte er. »Sie können mich nicht töten. Ich werde beschützt.« Immer noch auf Knien, kam er ein Stück näher. Er erhob das Messer, und Cardinal feuerte wieder und leerte diesmal das Magazin.
    Beltran sackte vornüber, und das Messer fiel ihm aus der Hand. Unter ihm quoll das Blut hervor und sammelte sich auf dem Felsgestein in einer schwarzen Lache, in der sich der weiße Mond wie eine Klinge spiegelte.

56
     
    L ise Delorme saß in ihrem Wagen auf dem Parkplatz des Ontario Hospital. Sie hatte versucht, draußen zu warten, doch hier oben in Waldesnähe waren die Mücken immer noch zu schlimm, auch wenn es allmählich besser wurde. Noch ein, zwei Wochen, und man konnte vielleicht tatsächlich einen Waldspaziergang genießen.
    Sie starrte auf den wuchtigen roten Klinkerbau mit seinen vielen dunklen Fenstern, einige davon vergittert. Nervenheilanstalten hatten etwas Unheimliches an sich, das es in dieser Weise nicht bei Gefängnissen oder anderen trostlosen Einrichtungen gab. Selbst jetzt, bei strahlendem Sonnenschein, bekam man das Gefühl, am liebsten umkehren und an andere Dinge denken zu wollen.
    In einem sicher einmaligen Arrangement teilt sich in Algonquin Bay der Coroner ein Büro mit der psychiatrischen Klinik. Delorme war hier heraufgekommen, um mit Dr. Rayburn zu sprechen und seine ordnungsgemäßen Berichte abzuholen. Das hatte nur ein paar Minuten in Anspruch genommen, doch als sie aus dem Gebäude kam, hatte sie Cardinals Camry auf dem Parkplatz entdeckt und beschlossen, auf ihn zu warten. Die Berichte des Coroners waren reine Formsache gewesen, nur ein weiterer Stapel Papiere für eine dicke Akte. Sie enthielten die routinemäßige, doch unumgängliche Feststellung, dass die drei Verstorbenen – Raymond Beltran, Leon Rutkowski und Alan Clegg – ein gewaltsames Ende gefunden hatten und somit eine gerichtsmedizinische Untersuchung erforderlich sei.
    Ergänzte man diese Liste durch Toof Tilley, WombatGuthrie und Gott weiß wie viele andere in Miami und Toronto, war die Zahl der Opfer wirklich deprimierend.
    Aus dem Seiteneingang kam eine Frau, gefolgt von Cardinal.
    Delorme stieg aus und ging ihnen bis zum Rand des Park-platzes entgegen.
    »Lise.« Cardinals Ton war verhaltener als sonst. Delorme hatte selten jemanden so erschöpft gesehen.
    »Was macht die Schulter?«
    »Halb so schlimm. Pocht manchmal ein bisschen.« »Dann fällt das Bowling vorerst flach.«
    »Zumindest mit der linken Hand. Ich glaube, du kennst meine Tochter noch nicht. Kelly, das ist Lise Delorme.«
    »Die berühmte Sergeant Delorme«, sagte Kelly und schüttelte ihr die Hand. Sie hatte ein schönes Lächeln, das dem ihrer Mutter ähnelte. Doch die Augen waren die ihres Vaters. Traurige Augen, selbst wenn sie lächelte. »Dad hat mir eine Menge über Sie erzählt.«
    »Oje«, sagte Delorme.
    »Nein, nein, nur Gutes. Er bewundert Sie.«
    »Das ist mir aber neu«, sagte Delorme und merkte, wie ihre Wangen glühten. Bewundert? Die macht Witze. Sie warf ihm einen Blick zu, doch falls Cardinal verlegen war, konnte sie es in diesem erschöpften Gesicht nicht lesen.
    »Ich warte im Wagen«, sagte Kelly zu ihrem Vater, verschwand im selben Augenblick und ließ einen Eindruck von Jugend, Kompromisslosigkeit und noch etwas darüber hinaus zurück.
    Es lag ein Quäntchen Glamour in der Art, wie sie den Kopf hielt, wie sie sich nach der New Yorker Mode kleidete. Kelly Cardinal war etwas Besonderes.
    »Ich wollte nicht stören«, sagte Delorme. »Ich dachte nur, du wolltest vielleicht auf dem Laufenden sein. Wir haben dieWaffe, auf die wir im Lager gestoßen sind, mit den Kugeln abgeglichen, mit denen Tilley ermordet wurde; sie passen zusammen.«
    »Ausgezeichnet, freut mich zu hören.«
    »Rutkowskis Fingerabdrücke dran. Nicht Beltrans.«
    »Ha«, sagte Cardinal. »Seelenverwandte.«
    Seine Reaktion war so gedämpft, dass Delorme ihn am liebsten geschüttelt – oder auch in die Arme genommen hätte. Egal, was. Seine physischen Schmerzen waren so offensichtlich nicht das eigentliche Problem.
    »Sie haben auch bestätigt, dass es sich bei dem Kopf um Wombat Guthrie handelt«, fuhr sie fort und wünschte sich im selben Moment, sie könnte sich diese Dinge ersparen.
    »Wie geht’s Terri und ihrem Bruder?«
    »Beide ziemlich traumatisiert. Ist noch zu früh, um zu sagen, ob sie bleibende psychische Schäden

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