Kalter Schlaf - Roman
die Fragen durch, betrachtete die Fotos und gab sie ihr in unveränderter Reihenfolge und mit demselben Lächeln dankend zurück.
Auf sein Nicken hin nahmen sie alle am Besprechungstisch Platz. John Cranham ergriff als Erster das Wort.
»Wie kann ich Ihnen Ihrer Ansicht nach helfen, Dr. Hanson? Ich habe in zehn Minuten eine weitere Besprechung …«
»Danke, dass Sie sich nochmals Zeit für uns genommen haben, Mr. Cranham. Ich möchte, dass Sie sich ein paar Fotos ansehen, die ich mitgebracht habe. Sie zeigen junge Frauen, die unserer Ansicht nach ebenfalls Opfer des Mannes geworden sind, der Molly James entführt hat.«
Cranham sah zu Granville hinüber, dann nickte er Kate zu und betrachtete die Aufnahmen, die sie ihm nacheinander hinlegte. Dabei ließ sie sein Gesicht keine Sekunde aus den Augen. Als Cranham sie alle betrachtet hatte, sah er fragend zu ihr auf.
Kate beobachtete ihn weiterhin genau. »Kennen Sie irgendeine dieser jungen Frauen?«
Nach einem weiteren Blick auf die Fotos schüttelte er den Kopf. »Nein. Keine Ahnung, wer sie sind.«
Sie nickte. »Erzählen Sie mir, was Ihnen zu diesen Frauen einfällt, Mr. Cranham.«
Er starrte sie sekundenlang an, dann sah er zu Granville hinüber, bevor er sich wieder auf die Fotos konzentrierte. Kate beobachtete, wie er die Stirn runzelte und leicht den Kopf schüttelte.
»Das sind junge Frauen … vermutlich attraktiv … aber ich kann sehen, dass sie misshandelt worden sind, stimmt’s? Anscheinend …« Sein Stirnrunzeln verstärkte sich. »Ich vermute, dass sie Opfer von Straftaten geworden sind. Irgendjemand hat sie misshandelt … schockierend. Aber nicht diese hier. Sie sieht nicht aus, als wäre ihr etwas passiert.« Er tippte auf das letzte Foto, das Kate ihm hingelegt hatte, und sah dann zu ihr auf. Sein Blick war verwirrt und nur leicht ungeduldig. »Was wollen Sie von mir, Dr. Hanson? Ich erkenne keine einzige dieser Frauen wieder.«
»Danke, Mr. Cranham.« An seinen Anwalt gewandt, fügte sie hinzu: »Ich glaube, wir sind hier fertig. Danke für Ihre Kooperation.«
Joe, der das als Stichwort auffasste, erhob sich, ging zur Tür, hielt sie Kate auf und folgte ihr hinaus. Cranham und Granville sahen ihnen sichtlich perplex nach.
Auf der Rückfahrt zur Rose Road schaute Kate zu Joe hinüber, der seit einigen Minuten nichts mehr gesagt hatte.
»Danke, dass du mitgekommen bist, Joe. Ich hatte Zweifel daran, dass Cranham etwas mit dem Mord an Molly zu tun hat. Aber das musste ich verifizieren.« Als Joe sich nicht dazu äußerte, fügte sie hinzu: »Ich habe nicht erwartet, dass er eines der Mädchen auf den Fotos erkennen würde – nicht mal Molly –, aber ich habe dich im Ungewissen gelassen, weil ich verhindern wollte, dass du ihm unabsichtlich einen Hinweis gibst. Er hat die erwartete Mischung aus minimaler Anspannung und Neugier erkennen lassen, die normal ist, wenn man etwas vorgelegt bekommt, das mit Verbrechen zusammenhängt. Aber nicht mehr. Er hat festgestellt, dass einige der Frauen misshandelt worden waren, und seine Kommentare dazu waren angemessen.«
»Wie kommt’s, dass du dir in Bezug auf ihn so sicher bist?«
»Weil Menschen mit schlechtem Gewissen es nicht vermeiden können, dass ihre Überlegungen sich in Mienenspiel und Körperhaltung abzeichnen. Da sie so angestrengt nachdenken, tritt oft eine Verringerung körperlicher Reaktionen auf – als Ausgleich für intensive Gedankenarbeit. Aber bei Cranham hat nichts darauf hingewiesen, dass sein Verstand hektisch gearbeitet hat. Er ist erstaunlich gelassen geblieben, was er nicht gewesen wäre, wenn er eine der abgebildeten Frauen erkannt hätte. Nichts hat darauf hingewiesen, dass er irgendwas zu verbergen hatte. Offensichtlich hat er auch nicht vorausgedacht und sich darauf einzustellen versucht, was wir vielleicht fragen würden.« Kate zuckte mit den Schultern. »Er hat sich die Fotos nur genau angesehen. Das war alles.«
»Du scheinst dir deiner Sache sehr sicher zu sein.«
»Das bin ich.«
Danach herrschte wieder einige Minuten lang Schweigen.
»Hast du etwas auf dem Herzen, Joe?«
Er räusperte sich. »Wo hast du das letzte Foto her?«
Kates Blick streifte ihn, dann sah sie wieder nach vorn.
»Ich bin nach oben gegangen und habe mir eine Kopie der Aufnahme geben lassen, die Jody Westbrookes Eltern zur Verfügung gestellt hatten. Wie die anderen Fotos hat es John Cranham nichts bedeutet.« Sie wandte sich ihm zu. »Du findest, dass ich dir hätte sagen sollen,
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