Kalter Schlaf - Roman
gefunden: hellblaues Polohemd und cremeweiße Slacks. Und die goldene Halskette.« Er sah auf seine Uhr, stand auf, trat an die Glastafel und betrachtete nachdenklich die von Kate angeschriebenen Informationen.
»Hast du Lust auf eine kleine Spazierfahrt?«
Bernie zog die Augenbrauen hoch. »Wohin?«
Joe bedeutete ihm, er solle einen Augenblick warten, ging an den Tisch zurück und nahm den Telefonhörer ab. Einige Sekunden später: »Mrs. Barnes?«
»Ja?«
»Hier ist Lieutenant Corrigan, West Midlands Police, Rose Road, Harborne. Wir stellen neue Ermittlungen wegen der Entführung einer jungen Frau namens Molly James an.«
Im Tonfall der Angerufenen schwangen Befriedigung und Besorgnis mit. »Wirklich? Ich wusste gar nicht, dass die Polizei den Fall noch mal aufrollt. Das freut mich echt, aber was …«
»Ist Jessica da?«
»Sie haben Glück. Sie ist zufällig zu Besuch hier. Wieso?«
»Wär’s Ihnen recht, wenn ich mit einem Kollegen vorbeikäme, um ihr ein paar Fragen zu stellen?«
Schweigen, dann: »Na ja, wenn’s unbedingt …«
»Sagen wir in etwa einer halben Stunde?« Wieder kurzes Zögern. »Keine Sorge, Mrs. Barnes, wir möchten Ihrer Tochter nur ein paar grundsätzliche Fragen über den Tag stellen, an dem Molly verschwunden ist.«
»Natürlich. Haben Sie unsere Adresse?«
Joe legte auf und nickte Bernie zu. »Dann mal los!«
Keine Dreiviertelstunde später stellten sie ihre Fragen einer jungen Frau Mitte zwanzig, die einen schlafenden Säugling in den Armen hielt.
»Erzählen Sie uns von Molly an dem Tag, an dem sie verschwunden ist«, forderte Joe sie auf.
Die junge Frau runzelte die Stirn. Sie wirkte unsicher.
»Vielleicht beschreiben Sie uns erst mal, wie sie ausgesehen hat«, schlug er vor.
Jessica wiegte ihr Kind, während sie ins Leere starrte.
»Das ist alles schon so lange her. Lassen Sie mich nachdenken: Sie hat das Haar offen getragen, schulterlang, und trug ein hellblaues Polohemd und cremeweiße Slacks. Und sie hatte ihren Ellesse-Rucksack bei sich. Das hat mich echt gewundert. Wir wollten nur durchs Einkaufszentrum bummeln. Dafür hätte sie ihn nicht gebraucht.«
Die junge Frau schüttelte den Kopf. »Das ist alles, was ich noch weiß. Nein, warten Sie! Molly hat ihre Namenshalskette getragen. Sie wissen schon: eine Kette mit ihrem Namen. Aus Gold. Aber die hat sie immer getragen. Ein Geschenk von ihrem Freund.«
»Welcher Freund war das?«
»Nun, er war damals schon nicht mehr ihr Freund. Jason Fairley.«
»Können Sie uns etwas über Mollys Stimmung an dem bewussten Tag erzählen?«, fragte Bernie.
Die junge Frau reagierte verständnislos. »Ihre Stimmung ?« Sie zuckte leicht mit den Schultern, um ihr schlafendes Baby nicht zu wecken. »Sie war wie immer, glaub ich … gesprächig.« Sie sah von einem der Kriminalbeamten zum anderen. »Nachträglich kommt es mir so vor, als wäre sie stiller als sonst gewesen, aber ich habe das darauf zurückgeführt, dass sie kein Geld hatte. Darüber haben Molly und ihre Mom oft gestritten. Molly wollte sich einen Job suchen. Damals hat’s reichlich Jobs in Bars und Shops gegeben, aber davon wollte ihre Mom nichts wissen. Ich habe vermutlich angenommen, die beiden hätten sich wieder mal darüber gestritten.«
Joe nickte ihr aufmunternd zu. »Das hilft uns weiter, Jessica. Dieser Job, den Molly gern gehabt hätte … hat sie an eine bestimmte Bar, einen bestimmten Shop gedacht?«
Jessica schüttelte lächelnd den Kopf. »Wie sie es anstellen wollte, einen Job zu kriegen, hat sie nie erzählt. Sie ist selbst kaum in Bars oder Pubs gegangen. Ich kann mich nur daran erinnern, dass sie gern in ein, zwei Coffeeshops im Einkaufszentrum gegangen ist. Teuer genug.«
»Ein besonderes Lieblingslokal?«, fragte Bernie.
Sie schwieg einige Sekunden lang. »Sorry, aber darüber muss ich erst nachdenken. Das ist alles schon so lange her.« Wieder eine Pause, dann: »Am liebsten war sie in der Coffee Lounge.« Dann lächelte sie plötzlich, sodass Joe sie prüfend musterte.
»Sie waren mit ihr dort?«
»Nein, aber mir fällt gerade ein, dass sie uns davon erzählt hat. Sie war ein paarmal in der Coffee Lounge, um fürs College zu lernen – na ja, um zu lesen –, und dort hat es einen Mann gegeben, der …« Bernie und Joe hörten gespannt zu. »Molly hat erzählt, dass er mit ihr geflirtet hat. Nein, nein, er hatte nichts Unheimliches an sich.« Jessica lachte in sich hinein. »Die Sache war nur ein bisschen komisch.« Sie sah wieder
Weitere Kostenlose Bücher