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Kalter Schmerz

Kalter Schmerz

Titel: Kalter Schmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Jameson
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sie getrunken oder etwas Stärkeres genommen hatte. Ihre Augen waren ein klein wenig zu groß, mit Eyeliner schwarz umrandet. Auf der Wange hatte sie einen blauen Fleck, und der Nagellack an ihrer rechten Hand war abgeblättert.
    »Was ist?«, sagte sie und lehnte sich mit einem Arm gegen den Türrahmen. Ihr Haar überschattete die falsche Hälfte ihres Gesichts, der Pony fiel ihr ins Auge.
    Im Haus lief irgendwas Melancholisches.
    »Sind das die Doors?«, fragte ich, bevor ich mir auf die Zunge beißen konnte, und merkte, wie albern es klang.
    Sie beäugte mich von oben bis unten. »Pat ist nicht da.«
    »Ich weiß. Genau genommen wollte ich auch mit Ihnen sprechen.«
    Es gab eine Pause, noch ein gründlicher Blick, dann ließ sie die Tür offenstehen und ging wieder hinein.
    Ich folgte ihr, verwundert darüber, wie dunkel das Haus wirkte. Die schwache Beleuchtung schien nicht in die letzten Winkel der hohen Decke zu gelangen. Die prachtvollen Ornamente, die Spiegel und Pseudo-Kronleuchter warfen längere Schatten, wirkten fast bedrohlich.
    Es waren die Doors.
    Clare ging ins Wohnzimmer. »An der Stelle klingt er fast wie Sinatra.«
    »Ehrlich gesagt, ist das mein Lieblingsstück«, sagte ich und folgte ihr nur widerwillig.
    »Als ich jünger war, hab ich mir immer vorgestellt, dass ich eines Tages diese Stelle hören würde … also, diese Stelle mitdem Klavier.« Sie blieb vor der Anlage stehen, die ich vorher nie bemerkt hatte, und setzte das Stück ein wenig zurück. »Wissen Sie, diese Stelle hier, die jetzt kommt …«
    »Kenne ich.«
    Sie schob sich mit beiden Händen die Haare aus dem Gesicht, bewegte sich leicht im Rhythmus, als das Klavier einsetzte, vollführte eine bescheidene Drehung, so dass sich ihr roter Rock bauschte, und hielt mit glasigem Blick inne.
    »Eines Tages denkst du, du hörst dir das an und dann kommt so ein blöder klischeehafter Moment, eine dieser Offenbarungen über das Leben, und alles wird … alles ergibt einen Sinn, ergibt mehr Sinn. Das wünscht man sich dann richtig herbei …«
    Als das Klavier verklang, hob sie die Hand, als wollte sie das Stück noch mal zurücksetzen, drehte sich dann aber zu mir um. Ich war mir nicht sicher, ob es Alkohol war, sie sprach nicht wie jemand, der getrunken hatte.
    »Was wollten Sie eigentlich?«, fragte Clare.
    »Ich wollte ein paar Dinge zu Emmas Freunden überprüfen. Pat sagte, ich sollte mit Ihnen reden.«
    Zuerst dachte ich, sie hätte mir nicht zugehört. Ein geradezu desillusionierter Ausdruck legte sich auf ihr Gesicht, sie stellte die Musik aus. Lange starrte sie die Anlage an, bevor sie sich auf die Couch setzte.
    Ich blieb stehen.
    »Und was ist, wenn ich Ihnen nichts über Emmas Freunde erzählen will?«, fragte sie und schob sich wieder die Haare aus dem Gesicht, als würden sie sie ersticken.
    »Das wäre keine große Hilfe.«
    »Ich bin nicht diejenige, die Ihre Hilfe wollte.« Sie blinzelte, mit Nachdruck. »Also: was?«
    »Hat sie mal einen Typen namens Felix Hudson erwähnt?«
    »Nein.«
    »Wissen Sie, wer das ist?«
    »Nein.«
    Auch in Emmas Tagebuch stand nichts über ihn. An diese Abkürzung hätte ich mich erinnert.
    »Ist das alles?«, fragte Clare.
    »Nein.« Ich setzte mich auf die Couch daneben, wie schon beim letzten Mal.
    Mit verschränkten Armen schoss sie hoch. Stillzustehen schien schwierig für sie zu sein. Sie verharrte zwar auf der Stelle, doch ihre Füße scharrten unentwegt.
    »Sie wissen mehr über sie als ich, nicht wahr?«, sagte Clare. »Sie fragen mich nach Namen, die ich noch nie gehört habe, und diese Leute hatten mit ihr zu tun. Sie werden mir eine Liste von Namen geben, und ich werde keinen … Ich werde keinen einzigen davon kennen. Erzählen Sie mir doch von ihr! Los, Sie werden dafür bezahlt, also erzählen Sie mir von meiner Tochter.«
    Irgendwas an ihr wickelte sich um die Windungen meines Hirns. Ich fragte mich, ob das nur bei mir so war oder ob es jedem so erging. Wenn sie mich ansah, war es, als wollte sich ihr Blick an meinen Augen vorbeidrängen, sich in mein Hirn bohren und mich erobern wie ein Virus. Ich sah ein Leuchten des Erkennens, konnte es aber nicht zuordnen. Mir stellten sich die Nackenhaare auf, und ein Adrenalinschub ließ mein Herz schneller schlagen.
    »Möchten Sie noch mal ein Bild von ihr sehen?«, fragte Clare und ließ mir keine Zeit, eine Antwort zu überlegen.
    Ohne dass ich ein Wort von mir gab, holte sie dasselbe Foto herunter wie beim letzten Mal.
    Ich nahm es,

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