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Kalter Schmerz

Kalter Schmerz

Titel: Kalter Schmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Jameson
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… was hast du …?«
    »Du kennst sie nicht, Nic. Du weißt nicht, wozu sie … wozu sie fähig ist. Ich weiß, dass du denkst, du hättest alles durchschaut, und wahrscheinlich fühlst du dich scheiß überlegen, aber sie dreht am Rad. Sie dreht verdammt noch mal am Rad, sie ist in Gefahr. Du musst sie für mich im Auge behalten und mir sagen, was los ist.«
    Innerhalb von Beziehungen, in denen es zu Missbrauch kommt, gibt es übliche Verhaltensmuster – Klischees oder Drehbücher, an die sich alle halten. Hatte ich schon bei genügend Aufträgen erlebt. Das hier war nicht normal. Egal, welche Szenarien ich im Kopf durchspielte, ich begriff nicht, was mit den beiden los war. Mal nahmen sie die Rollen ein, die ich von ihnen erwartete, dann wieder stellte einer von ihnen oder stellten beide alles auf den Kopf.
    Langsam dämmerte mir, wie sich Emma gefühlt haben musste, zwischen zwei Personen zu stehen, die in fast zwanzig Ehejahren gelernt hatten, wie man sich gegenseitig fertigmachte.
    »Wie viel?«, fragte ich.
    »Kommt drauf an, was du mir erzählst. Ich meine es ernst. Du hast keine Ahnung, wie sie drauf ist, du musst mich auf dem Laufenden halten.«
    Er klang jetzt nicht mehr wütend. Er klang nicht verstört, eifersüchtig oder besitzergreifend. Er klang besorgt.
    Ein Teil von mir wollte es ihm ins Gesicht schreien, ihm sagen, wie froh ich war, dass er doch noch seine wohlverdienteStrafe bekam, dass seine Frau mir vor nicht einmal einer Stunde beim Kuss die Unterarme zerkratzt hatte. Doch ich tat es nicht. Mich beschlich da so ein Gefühl, ein winziger Rest von Zweifel, der mir sagte, ich könnte mich irren.
    Ich irrte mich nicht, mit ziemlicher Sicherheit nicht, dennoch musste ich mir erst den Laptop besorgen.
    »Gut«, sagte ich langsam. »Gut, ich mach’s.«
    »Danke. Ich schicke dir noch die Nummer von meinem Anwalt, nur für den Fall. Jetzt muss ich los.«
    Er legte auf.
    Eine Weile stand ich reglos in der Kälte, unsicher, wo ich anfangen sollte, wohin das noch führte. Heute Abend, dachte ich mit Blick auf die Uhr, würde ich zuerst mal meine Eltern anrufen.
    Mark sah sich im Wohnzimmer Question Time an, und der Polit-Talk sorgte für einen beruhigenden Geräuschpegel im Hintergrund, als ich mit dem Telefon in der Küche verschwand. Nach ungefähr zehn Minuten drückte ich auf die Anruftaste in der Hoffnung, dass der Zwang, etwas sagen zu müssen, mich beruhigen würde.
    Mit klopfendem Herzen lehnte ich mich gegen die Arbeitsfläche. Ich hatte immer noch nicht daran gedacht, die verdammte Armbanduhr auszutauschen. Es machte mich ganz beklommen, sie zu sehen, auch wenn ich nicht genau sagen konnte, warum. Sie erinnerte mich an Matt.
    Harriet meldete sich.
    »Hallo?«
    Im Wohnzimmer lachte Mark und rief dem Fernseher etwas zu. Auf dem Couchtisch hatte eine Flasche Brandy gestanden.
    »Hi, Harri, ich bin’s.«
    Sie gab ein ungläubiges Geräusch von sich. »So viel zum Thema zurückkommen, was?«
    »Tut mir leid.«
    »Willst du mit Mum sprechen?«
    »Nein, ehrlich jetzt. Tut mir wirklich …« Ich schluckte. »Es tut mir wirklich leid und … Er fehlt mir wirklich.«
    Sie sagte nichts, und ich griff geistesabwesend nach irgendwelchen Küchenutensilien, die ich gleich wieder weglegte.
    »Ist das der Grund, warum du angerufen hast?«, fragte sie.
    »Weißt du … weißt du, was mich echt fertigmacht?«, fragte ich mit erstickter Stimme.
    »Nein, was?«
    »Keiner von uns … Keiner ist hingegangen, als er … ähm …« Ich stach mit der Gabel auf den Granit ein, und ein paar Tränen liefen mir die Wangen hinunter. »Als er das Pilotenabzeichen bekam … Wir haben nicht, keiner von uns … das ist so … verdammt …«
    »Ich weiß, was du meinst«, sagte sie mit belegter Stimme.
    »Ich weiß nicht mal mehr … welche beschissene Ausrede … ich hatte«, sagte ich schniefend.
    »Ich war wahrscheinlich high.« Es gab eine Pause, und es klang, als wäre Harriet in ein anderes Zimmer gegangen und hätte die Tür zugemacht. »Er war kein Heiliger, Nic, er … hielt sich bloß für einen. Sie denken das bloß.«
    »Ach, komm«, sagte ich und wischte mir über die Augen. »Wem nützt es, deswegen jetzt noch sauer zu sein? Wir beide … wir haben es beide verbockt.«
    »Ach, halt den Mund!«
    »Nein, hör zu!«, rief ich und konnte die Tränen gerade lange genug zurückhalten, um einen Satz zu bilden. »Es ist nicht seine Schuld, dass wir neben ihm wie Scheiße aussehen, er war einfach …«
    » Perfekt «,

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