Kalter Süden
spanischen Seite, in La Línea, wo die Mieten nur ein Drittel so hoch waren wie in Gibraltar.
Sie schielte zum Schaufenster des Maklerbüros. Es schien schon eine Weile leer zu stehen. Hinter der Scheibe lagen jede Menge tote Insekten.
Sie erhob sich, klopfte sich den Straßenstaub vom Po und trat ans Schaufenster, um sich die Immobilienpreise in Gibraltar genauer anzusehen. Die Auswahl war nicht besonders groß. Dort hing eine Handvoll verblichener Fotos von Villen und Wohnungen, ohne weitere Details über die Objekte und natürlich auch ohne Adressen. Carita hatte ihr erzählt, dass spanische Häuser manchmal von bis zu zehn Maklern gleichzeitig angeboten wurden. Keiner hatte ein Exklusivrecht, deshalb schwärzten die Makler die Adressen, damit sich so wenige Konkurrenten wie möglich ihre Objekte unter den Nagel reißen konnten.
Sie ließ den Blick über die Fotos wandern und konnte weder ein Haus noch eine Wohnung in Gibraltar entdecken. Die Objekte sahen aus wie alle anderen an der Costa del Sol.
Sie erstarrte. Zuerst glaubte sie, sie hätte sich verguckt. Dann trat sie einen Schritt näher an das Schaufenster und wischte den Staub vom Fensterglas.
Existing Freehold Villa.
Ideal family home. Ideal Investment.
Das Bild der Villa hing in der obersten Reihe ganz rechts. Es war ausgebleicht, und die Ecken hatten sich nach oben gebogen, als hätte es schon lange unter Sonne und Feuchtigkeit gelitten. Nirgends stand ein Hinweis auf die Lage der Villa, auf Größe und Preis, aber Annika erkannte sie sofort wieder.
Zwei-, teilweise dreistöckig, Terrassen, Balkone, Erker, Säulen und Bögen, geschwungene Balustraden und ein schmiedeeiserner Zaun. Ganz oben ein Türmchen mit Fensterbögen in alle Himmelsrichtungen. Der Pool, das Licht, der Berg im Hintergrund.
Dies war das Haus der Familie Söderström in Nueva Andalucía.
Das Foto musste mehrere Jahre alt sein, denn die Bäume waren sehr viel kleiner, als sie sie in Erinnerung hatte. In der untersten Ecke war eine Zementmischmaschine zu sehen.
Sie ging zur Eingangstür, um nachzusehen, ob dort Öffnungszeiten angegeben waren. Doch das war nicht der Fall, dort hing lediglich ein Messingschild, das auf eine Website verwies.
A Place in the Sun
Your Real Estate Agents on the Coast.
Visit us at www.aplaceinthesun.se
Sie starrte auf das Schild und las die unterste Zeile ein zweites Mal.
A place in the sun Punkt se.
Warum »se«?
Warum hatte ein Makler in Gibraltar eine schwedische Website?
Sie nahm den Block und notierte sich die Adresse. Dann schaute sie noch einmal nach, ob die Villa eine Referenznummer hatte.
Nichts.
Es ist ja nicht wirklich verwunderlich, dass das Haus zum Verkauf steht, dachte sie dann. Die Erben müssen es natürlich verkaufen, genauso wie das Pony. Aber warum hatten sie kein neueres und besseres Bild genommen?
Andererseits war es auch möglich, dass dieses Foto noch aus der Zeit dort hing, als die Familie Söderström die Villa gekauft hatte. Veronica hatte in diesem Viertel gearbeitet, ging regelmäßig hier vorbei und hatte vielleicht ab und zu vor dem Schaufenster gestanden, um zu sehen, was zum Verkauf angeboten wurde. Vielleicht war sie ja genau so auf die Villa aufmerksam geworden. Möglicherweise hatte dieser Makler ihnen das Objekt verkauft und danach vergessen, das Foto abzunehmen.
Sie warf einen Blick auf die Uhr, es war an der Zeit, nach Estepona zu fahren.
Da ging ihr auf, dass sie ja gar kein Auto hatte.
Der Busbahnhof in La Línea lag an der Plaza de Europa, einem Kreisverkehr nur ein paar Straßen von der Grenze entfernt. Von hier gingen regelmäßig Busse nach Estepona, der nächste würde in zwanzig Minuten abfahren. Am Schalter kaufte sie sich eine Fahrkarte für 3 Euro und 64 Cent, und schon bald darauf rollte der Bus ein, eine lärmende, qualmende Klapperkiste. Sie stieg ein und spürte, wie der Boden schaukelte, es roch nach Öl und Putzmittel. Die Sitze waren aus blaugestreiftem Plüsch, und vor den Fenstern hingen schmutzige Gardinen. Ein intensiver Flashback versetzte sie zurück in den Schulbus, der sie als Kind von Hälleforsnäs nach Flen und weiter zum Gymnasium nach Katrineholm gekarrt hatte.
Genau wie der alte Schulbus hielt auch dieser Bus an jeder Milchkanne. Was mit dem Auto eine Viertelstunde gedauert hätte, nahm jetzt eineinhalb Stunden in Anspruch. Der Bus fuhr jede Siedlung an und ließ an so gut wie jeder Kreuzung Leute ein- und aussteigen. Kurz vor Marina de Casares nickte sie ein und
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