Kalter Süden
geworden …«
»Gibt es dort einen muqaddam ?«
»In Asilah? Garantiert.«
»Und wie finde ich den?«
»Sie müssen nur das Polizeirevier finden. Fragen Sie sich einfach durch. Und wenn Sie in Asilah sind, müssen Sie unbedingt im Casa García mittagessen. Sie mögen doch spanisches Essen? Das liegt an der großen Zufahrtsstraße, mit Aussicht über den Hafen. Nun muss ich aber wieder was für meinen Lebensunterhalt tun, meine Liebe. Gibt’s sonst noch etwas?«
»Ich melde mich, falls meine Renovierung misslingt.«
»Jederzeit gern.«
Das Mädchen mit dem Goldstecker in der Nase räumte ihren Teller und ihre Kaffeetasse ab.
Als die Passkontrolle öffnete, stand sie ganz vorn in der nicht vorhandenen Schlange.
Sie bekam einen Stempel in den Pass und wurde in einen gläsernen Gang geschleust, der hoch über dem Hafengelände schwebte. Unter ihr warteten Hunderte von Trailern darauf, diese oder jene Fähre zu befahren oder zu verlassen.
Sie musste noch einmal ihren Pass vorzeigen, bevor sie an Bord des Schiffes durfte, und dann marschierte sie direkt in ein Déjà-vu ihrer Klassenfahrt nach Finnland Mitte der Achtzigerjahre. Sie meinte, alles wiederzuerkennen, von den ausgetretenen blauen Teppichbelägen bis zum Duty-free-Shop und der Bar am Bug mit ihrem maritimen Ambiente.
Sie machte eine Runde durch die verschiedenen Decks und stellte fest, dass eine Gruppe Fernfahrer, die sich untereinander alle zu kennen schienen, außer ihr die einzigen Passagiere waren.
Vor der Damentoilette auf Deck 6 fand sie die Erklärung, warum sie sich in kalte Winde und schroffe Schären zurückversetzt fühlte: Die Anweisungen für das Verhalten bei Feueralarm waren auf Finnisch abgefasst. In einem früheren Leben hatte diese Fähre auf der Route Stockholm-Helsinki verkehrt.
Mit einem dumpfen Grollen legte das Schiff ab und steuerte mit langen Schaukelbewegungen auf Afrika zu. Annika machte es sich in der Bar bequem.
Sie passierten ein Dutzend Frachter in der Fahrrinne und folgten dann der spanischen Küste Richtung Westen. Sie sah Städte und Dörfer vorübergleiten, Sandstrände und Olivenhaine und Windräder.
Ihr kam der Gedanke, dass sie gerade dem neuen Eisernen Vorhang folgten, nämlich dem zwischen der Ersten und der Dritten Welt, und im selben Moment wurde ihr schlecht.
Sie hatte vergessen, dass sie immer seekrank wurde, ganz egal, wie klein die Wellen sein mochten.
Schnell packte sie den Laptop aus, um auf andere Gedanken zu kommen. Sie setzte sich an einen Tisch, neben dem eine Steckdose in der Wand eingelassen war, legte ein neues Dokument an und schrieb einen Nachrichtentext mit dem Inhalt, dass der Gasmord in Nueva Andalucía kurz vor seiner Aufklärung stehe.
Eine Schwedin mit Wohnsitz an der Costa del Sol sei soeben von Interpol zur Fahndung ausgeschrieben worden wegen des Verdachts, acht Morde begangen zu haben. Fünf ihrer Opfer waren Sebastian Söderström und seine Familie.
Sie berief sich auf Knut Garen als Quelle, den skandinavischen Verbindungsmann an der Costa del Sol. Sie schrieb, dass die gesuchte Frau und ihre Familie spurlos verschwunden waren und dass die Polizei sie im Ausland vermutete. Sie berichtete von dem Auto, das auf dem Flughafen in Málaga gefunden worden war, von den DNA -Beweisen, dem neuen Haftbefehl und der Suche durch Interpol. Sie erwähnte auch den Zusammenhang mit dem Tod von Jocke Zarco Martinez: Diese Frau war die letzte Person gewesen, die ihn vor seinem Tod im Gefängnis besucht hatte. Der Artikel wurde kurz und schnörkellos. Sie speicherte ihn ab und blickte auf die Uhr.
Noch anderthalb Stunden.
Sie öffnete ein neues leeres Dokument und verfasste einen Artikel über die Person Carita Halling Gonzales. Ob die Zeitung Namen und Fotos von Verdächtigen veröffentlichte, war nicht ihre Entscheidung, sondern die des verantwortlichen Herausgebers. Sie überlegte einen Moment und taufte Carita dann »die Jetset-Schwedin«.
Annika schrieb, dass »die Jetset-Schwedin« in einem Villenviertel (alle Gegenden, die nicht Betonvorstädte waren, galten in der Terminologie des Abendblatts als Villenviertel) in Nueva Andalucía gewohnt und als Dolmetscherin und Übersetzerin gearbeitet hatte, unter anderem für die Medien und die spanische und die schwedische Polizei. Sie beschrieb ihren regen Kontakt mit dem großen Bekanntenkreis, wie aktiv sie sich im Nachbarschaftsverein engagiert und für ihre Nachbarn eingesetzt hatte.
Sie zitierte Tuula, die Finnin, anonym.
Dann
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