Kalter Süden
dass sie sich noch in Spanien aufhält?«
»In dem Fall müsste die ganze Familie sich eine andere Identität zugelegt haben, mit neuer Schule und neuer Wohnung und neuen Bankkonten. Wir halten das nicht für sehr wahrscheinlich. Was wollen Sie schreiben?«
»Alles, wofür ich eine glaubhafte Bestätigung bekommen kann, beispielsweise von Ihnen. Ist die Fahndung über Interpol eigentlich schon offiziell?«
»Noch nicht«, sagte Knut Garen.
Sie biss sich auf die Lippe, damit hatte sie nicht gerechnet.
»Aber das kann bereits heute Nachmittag über die Bühne gehen«, ergänzte der Polizist. »Die spanische Polizei hat gestern das Ergebnis einer DNA -Analyse aus England bekommen, und das bringt sie in Verbindung mit den Gasmorden in Nueva Andalucía kurz nach Neujahr.«
Annikas Puls schnellte hoch.
»Inwiefern?«
»Der Tresor und das zweite Fahrzeug, das bei dem Einbruch benutzt wurde, sind gefunden worden.«
»Wo?«
»Auf dem Langzeitparkplatz am Flughafen von Málaga.«
Annika ging zurück zu ihrem Auto.
Wie schlau von Carita. Wenn sie den Wagen irgendwo am Straßenrand oder draußen in der Einöde abgestellt hätte, wäre früher oder später jemand darauf aufmerksam geworden. Auf einem unbewachten Langzeitparkplatz an einem großen Flughafen kann ein Auto jedoch eine Ewigkeit stehen, ohne dass es auffällt.
»War noch etwas in dem Tresor?«
»Er war aufgesprengt. Und leer, bis auf ein paar Sprengstoffreste. Aber im Auto wurden Haare und Hautpartikel gefunden, und gestern kam eben die Bestätigung, dass die nachgewiesene DNA mit der von Carita Halling Gonzales übereinstimmt.
»Woher hatte man denn das Vergleichsmaterial?«
»Von einer Hausdurchsuchung«, antwortete Knut Garen. »Ich glaube, sie haben DNA auf ihrer Zahnbürste gefunden.«
Annika sah zu dem Haus hinauf.
Der arme Jocke Zarco Martinez musste sehr gut informiert gewesen sein. Carita hatte ihre ganze Existenz geopfert, um ihn für immer zum Schweigen zu bringen. Sie fand nicht mal mehr die Zeit, ihre Zahnbürste einzupacken, als sie floh.
Dann fiel ihr ein Gedanke wieder ein, der ihr die ganze Nacht durch den Kopf gegangen war.
»Ich habe in der Villa Söderström gar keine aufgebrochene Wand gesehen«, sagte sie. »Wo saß denn eigentlich dieser Tresor?«
»In allen Schlafzimmern waren Tresore. Dieser befand sich in einem Raum im Erdgeschoss.«
Annika runzelte die Stirn. Ihr war nicht bewusst, dass es dort außer Suzettes noch weitere Zimmer gegeben hatte.
»In welchem denn?«, fragte sie.
»In Astrid Paulsons Schlafzimmer.«
Sie blinzelte.
Natürlich.
»Was kann sie dort so Begehrenswertes aufbewahrt haben?«
»Bargeld, Wertpapiere, Dokumente, Diamanten, Geheimzahlen, sensible Informationen, suchen Sie sich was aus.«
Annika strich sich über die Stirn.
Natürlich war Astrids Tresor der interessanteste im ganzen Haus gewesen. Nicht der von Veronica, der Geldwäscherin, oder Sebastian, dem katastrophalen Geldverschwender, sondern der von Astrid. Sie war als Erste hier gewesen, sie hatte das Unternehmen aufgebaut, sie hatte seit 1968 das Maklerbüro an der Costa del Sol geführt.
»Wie viel davon kann ich schreiben?«
»Der Untersuchungsrichter wird heute Nachmittag Haftbefehl in Abwesenheit gegen Carita Halling Gonzales erlassen. Im Moment wird sie noch wegen Verdachts des Totschlags an Zarco Martinez gesucht. Wir wissen, dass sie ihm das Morphin verabreicht hat, aber es ist nicht sicher, ob sie wirklich die Absicht hatte, ihn zu ermorden. Ab heute Nachmittag wird die Interpol-Fahndung auf Verdacht des Mordes in acht Fällen lauten. Dann muss die Geheimhaltung aufgehoben werden, etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen.«
Annika schüttelte Block und Stift aus ihrer Tasche und kritzelte die Information rasch mit.
»In acht Fällen?«
»Die Familie in der Villa plus die beiden Einbrecher plus Zarco Martinez. Jetzt, wo wir wissen, dass die Fälle zusammenhängen, macht die Staatsanwaltschaft Nägel mit Köpfen.«
»Kann ich Sie später am Nachmittag noch mal anrufen und mir das von Ihnen bestätigen lassen?«
»Gern.«
Beide schwiegen einen Moment.
»Warum?«, fragte Annika schließlich. »Warum hat sie das getan?«
Knut Garen antwortete nicht.
»Sie haben sie doch gekannt«, sagte Annika. »Sie haben mit ihr zusammengearbeitet. Was hat sie dazu getrieben?«
Der Polizist klang sehr müde.
»Geld, nehme ich an«, sagte er. »Status und Anerkennung vielleicht, ein Leben auf der Sonnenseite …«
Annika sah zu
Weitere Kostenlose Bücher