Kalter Süden
von Containern gestapelt, verladen oder gelöscht. Bei Wikipedia hatte sie gele-sen, dass Algeciras Platz 16 unter den verkehrsreichsten Häfen der Welt belegte. Annika blickte sich verwundert um und fragte sich, wie die fünfzehn noch verkehrsreicheren Häfen wohl aussahen.
Bei der Estación Marítima parkte sie das Auto und ging zum Terminal de pasajeros .
Das Gebäude erinnerte an den Silja-Terminal im Stockholmer Freihafen, nur war es noch unübersichtlicher. Tanger schien von einer ganzen Reihe verschiedener Fährlinien angelaufen zu werden. Große Schilder verkündeten Abfahrts- und Ankunftszeiten, wie auf einem Flughafen. Sie erkannte, dass sie gerade um zwei Minuten eine Fähre nach Tanger verpasst hatte. Die nächste ging in 58 Minuten. Sie biss sich nachdenklich auf die Lippe und sah auf die Uhr, es war schon nach zwei. Die Überfahrt nach Marokko würde zwei Stunden dauern, sie musste durch den Zoll und dann eine Möglichkeit finden, nach Süden weiterzufahren. Im Internet hatte sie gelesen, dass sowohl ein Zug als auch eine Art Bustaxi zwischen den verschiedenen Städten verkehrten.
Sie kaufte ein Ticket für 33 Euro und fuhr mit der Rolltreppe hinauf in die Abfahrtshalle. Die Sala de Embarque war ganz aus graugesprenkeltem Granit und so groß wie ein Fußballplatz. Sie checkte ein – nein, kein Gepäck –, bekam mitgeteilt, dass die Passkontrolle in einer Viertelstunde öffnen werde und sie dann gern gleich an Bord gehen könne. Bis dahin sei die Cafeteria geöffnet, sagte der Beamte und zeigte auf eine Tür an der anderen Seite des Fußballplatzes.
Die Cafeteria war fast ebenso groß und ebenso öde. Sie bestellte einen café cortado und ein bocadillo con jamón serrano y manchego bei einer Bedienung, die einen Goldstecker in der Nase und einen lila Slip trug. Letzteren zu bemerken ließ sich nicht vermeiden, denn die Jeans war ihr so tief herabgerutscht, dass der Gürtel auf Höhe des Darmausgangs saß.
Annika war ungeheuer hungrig. Da sie im Flugzeug geschlafen hatte, war ihr das gummiartige Sandwich entgangen, das man käuflich erwerben konnte. Das große Baguette, das sie jetzt serviert bekam, verschlang sie innerhalb von drei Minuten.
Dann probierte sie noch einmal, die Botschaft in Rabat anzurufen.
Diesmal verkündete die französische Stimme, dass die Bürozeit für heute beendet sei.
Sie legte auf und dachte intensiv nach.
Dann wählte sie die Nummer von Rickard Marmén.
Er war sofort dran.
»Annika!«, rief er erfreut aus. »Haben Sie ein neues Leben gefunden?«
»Ich habe beschlossen, mein altes zu behalten«, sagte sie. »Bin praktisch gerade dabei, es zu renovieren. Sagen Sie, haben Sie jemals mit Immobilien in Marokko gehandelt?«
»Eine Sekunde, ja?«
Er entfernte die Sprechmuschel vom Mund und sagte etwas auf Spanisch.
»Marokko?«, fragte er, als er wieder dran war. »Sicher, Marokko ist ein zukunftsträchtiges Land. An was hatten Sie denn gedacht? Ich habe zwei Villen am Meer außerhalb von Tanger und mehrere schöne Objekte off plan …«
Sie ballte die linke Hand im Triumph.
»Gibt es in Marokko ein Liegenschaftsregister? Das vielleicht sogar einsehbar ist?«
Falls ihn die Frage erstaunte, zeigte er es nicht.
»Ja«, sagte er, »das gibt es, allerdings nur auf dem Papier. Das können Sie einsehen, sooft Sie wollen, aber Sie müssen es direkt im Amt tun. Die Einträge sind nicht digitalisiert. Und sie sind in drei verschiedenen Sprachen abgefasst, Französisch, Spanisch und Arabisch.«
Sie schürzte die Lippen.
»Angenommen, ich habe einen Namen und eine Stadt, gibt es dann eine Möglichkeit, festzustellen, wo die betreffende Person wohnt?«
»Hm«, machte Rickard Marmén. »Sie möchten eine Adresse in Marokko herausfinden?«
»Wenn es geht.«
»Und Sie haben den Namen der Person und wissen, in welcher Stadt sie lebt?«
»Genau.«
»Ja, das müsste dann über den muqaddam gehen.«
»Den … was?«
»Das ist der zuständige Beamte im Ort, er arbeitet auf Bezirksebene. Der verteilt die Stimmkarten für die Wahlen und weiß Bescheid, wer wo wohnt, füllt die Anträge für Personalausweise aus und all so was …«
Sie schloss die Augen und atmete auf. Zu gern hätte sie ein Haus von Rickard Marmén gekauft, nur um ihm eine Freude zu machen.
»Eine ganz andere Frage«, fuhr sie fort. »Was wissen Sie über Asilah in Marokko?«
»Ein verträumtes kleines Kaff, obwohl, erst kürzlich haben sie die Medina renoviert, die ist richtig schick
Weitere Kostenlose Bücher