Kalter Tee und heiße Kuesse
übereinander und schaute ihn herausfordernd an. „Dann schießen Sie mal los“, sagte sie und hoffte, dass ihre Stimme wie die einer eisenharten Geschäftsfrau klang, die zur Not über Leichen gehen würde. Doch im nächsten Augenblick sah sie ein, dass sie mehr als lächerlich aussah mit ihren unbeschuhten Nylons, und stellte die Beine wieder nebeneinander auf den Boden, um festzustellen, dass irgendjemand, der vorher hier gesessen hatte, ein Getränk verschüttet haben musste. Es klebte. Bestimmt war es Orangensaft oder Cola. Oder Bailey’s. Ekelhaft.
„Nun, ich dachte, dass diese Kampagne ganz außergewöhnlich sein müsste“, begann Magnus und verschränkte die Arme. Erwartungsvoll schaute er Lena an.
„Ja, was denn sonst?“, konterte die und schüttelte den Kopf. „Dafür arbeiten wir ja in einer Werbeagentur, eben weil unsere Ideen außergewöhnlich sein sollen. Ist das alles, was Sie sich überlegt haben?“
Magnus war sichtlich böse. „Natürlich nicht. Ich habe mir bereits den ganzen Tag darüber Gedanken gemacht. Und bin auf eine wirklich gute Idee gekommen. Was halten Sie davon: Wir machen keine klassische Werbekampagne, sondern verbinden das Ganze mit einem Gewinnspiel. Sozusagen mit Geld-zurück-Garantie. Hundebesitzer mit übergewichtigen Tieren sollen sich melden, wir wählen drei aus, und diese Hunde müssen dann vier Wochen oder so dieses Diätzeug fressen. Der Hund, der am meisten abgenommen hat, bekommt zum Schluss einen Preis. Beziehungsweise der Besitzer. Eine Woche auf einem Kreuzfahrtschiff oder so. Dann haben wir quasi zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Einerseits machen wir das Produkt bekannt, regen die Leute zum Mitmachen an und beweisen, dass wir hinter dem Produkt stehen und es tatsächlich wirksam ist.“
Lena dachte nach. Die Idee war gar nicht so schlecht. Nur wie sollte man das Ganze bewerkstelligen? Im Geiste sah sie sich schon mit Hundebesitzern und ihren überfütterten Lieblingen durch den Wald joggen und dabei Fotos machen.
„Was halten Sie davon, wenn wir beide das Projekt – sollte es akzeptiert werden – betreuen?“, fragte Magnus und sah Lena gespannt an. „Wir könnten mit den Hunden und ihren Besitzern zum Beispiel joggen gehen.“
Konnte er ihre Gedanken lesen? Lena bestellte sich noch einen Gin Tonic, trank diesen genauso schnell wie die beiden anderen, und nun merkte sie den Alkohol tatsächlich.
„Mal sehen“, sagte sie dann. „Mal sehen.“
„Ist Ihnen nicht gut?“, wollte Magnus wissen.
„Doch, doch, natürlich. Alles in Ordnung. Sind Sie jetzt eigentlich fest angestellt bei uns?“ Verzweifelt versuchte Lena, nicht zu lallen.
„Das wird sich noch herausstellen“, Magnus machte eine wegwerfende Handbewegung. „Erst mal bin ich lediglich freier Mitarbeiter. Für drei Monate. Was dann wird, weiß ich noch nicht.“ Ganz offensichtlich wollte er nicht weiter über das Thema reden, und Lena war es egal. Sie war auf den Geschmack gekommen und hätte in Gin Tonic baden können.
„Ich mag den Herbst“, Lena schaute verträumt nach draußen, nachdem der Kellner ihr unaufgefordert den nächsten Drink hingestellt hatte. „Sie auch?“
Magnus zuckte mit den Schultern. „Mir ist die Jahreszeit egal. Ich bin sowieso die meiste Zeit zu Hause. Da interessiert es mich nicht, ob wir Sommer oder Winter haben.“
„Warum denn?“ Lena runzelte die Stirn. Ein solch attraktiver Mann, dachte sie, und dann ist er nur zu Hause. Was ist los mit ihm? Vielleicht hatte er Alzheimer und würde sich verlaufen und dann vergessen, wo er sich befand. Oder er lebte mit seiner bettlägerigen Mutter zusammen, die durchdrehte, sollte er abends eine Verabredung haben.
Magnus schaute sie an. Seine Augen wirkten traurig. „Weil ich nicht wüsste, mit wem ich mich verabreden sollte“, gestand er dann. „Ich wohne erst seit Kurzem in Hannover. Ursprünglich komme ich aus Kiel, und dort befinden sich auch meine Freunde. Aber ich kann ja schlecht sagen, dass sie abends auf ein Bier in Hannover vorbeikommen sollen.“
„Oh, das … das tut mir sehr leid.“ Lena musste sich vorstellen, wie Magnus jeden Abend alleine in seiner Wohnung saß oder herumlief, ohne Aussicht auf eine Verabredung.
„Das muss Ihnen nicht leid tun“, winkte Magnus ab. „Ich werde mich schon zurechtfinden hier. Und irgendwann bestimmt auch ein paar Leute kennenlernen. Demnächst werde ich erst mal in diese Matisse-Ausstellung gehen.“
„Oh, Sie mögen Matisse?“, fragte
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