Kalter Tee und heiße Kuesse
möchtest.“ Nun schluchzte er laut vor sich hin. Lena streichelte unbeholfen seinen Rücken. Er blickte auf, seine Augen waren tränenverhangen.
„Mindestens zweihundert Euro ist dieser Barolo heute wert. Ach, was rede ich denn? Er war es wert. Und du hattest Sex mit dem guten Wein!“
Hätte ich doch bloß nichts gesagt, dachte Lena und hätte sich ohrfeigen können. Ich erzähle ihm auf keinen Fall, was wir mit dem Barolo getan haben.
„Was habt ihr mit dem Barolo getan?“ Fabrizio versuchte sich zu fangen und schnäuzte in eine Papierserviette. „Hat er ihn etwa aus deinem Bauchnabel getrunken? Habt ihr ihn wenigstens einige Stunden vorher geöffnet und atmen lassen?“
Die Leute an den Nebentischen rückten ihre Stühle ein Stückchen näher, um bloß kein Wort zu verpassen.
„Also, um ganz ehrlich zu sein, nein, es ging ziemlich schnell, das alles“, versuchte Lena sich rauszureden. Sie konnte nicht gut lügen, außerdem würde Fabrizio das sofort merken.
„Ich verstehe.“ Fabrizio stand auf und sah Lena wie ein waidwundes Reh an. „Ich verstehe. Nun, ich werde jetzt gehen. Das verkraften meine Nerven nicht. Ich werde nach Hause gehen, was rede ich, ich werde wanken, und mir dann eine DVD anschauen. ÜBER ITALIENISCHE WEINANBAUGEBIETE!“ Mit einem letzten dramatischen Schluchzer verließ er das Straßencafé.
Lena blieb noch einen Moment sitzen, dann zahlte sie. Sofort würde sie versuchen, bei eBay eine Flasche 70er Barolo zu ersteigern.
Gegen fünf Uhr nachmittags rief Johanna Melchior an und bat Lena und Magnus zu sich. „Ich muss sagen, das läuft ja bestens“, meinte sie und rang sich doch tatsächlich ein Lächeln ab. „Gute Arbeit, Frau Sanders. Weiter so. Magnus, ich würde dich gern heute Abend sprechen.“ Durchdringend sah sie ihn an. Lena beobachtete die beiden. Ahnte sie etwas? Nein, das konnte wohl nicht sein. Magnus war die Situation sichtlich unangenehm. „Ich bin schon verabredet. Heute Abend geht es nicht“, sagte er dann. Johanna durchbohrte erst ihn und dann Lena mit Blicken. „Aha“, meinte sie trocken. „Du wirst es wohl einrichten können. Es dauert nicht allzu lange. Dann lassen Sie mal hören, was unsere Kandidaten machen, Frau Sanders. Setzen Sie sich doch bitte.“
Eine Stunde später wurden Lena und Magnus in Gnade entlassen. Die Melchior schien tatsächlich zufrieden zu sein. Die größeren Zeitungen hatten bereits berichtet, die Fotos von Fabrizio waren hervorragend geworden, und der Vertrieb von Dickie-Dick meldete schon Umsatzsteigerungen, was auf die Präsenz in der Presse zurückzuführen war. Also war alles gut. Den Rest des Tages verbrachten Magnus und Lena damit, neue Fotos auszuwählen, Bildunterschriften zu texten und die Interviews mit den Kandidaten umzuschreiben. Bonsai, Blondies Hund, hatte schon ein Pfund weniger auf die Waage gebracht. Blondie war von Dickie-Dick restlos begeistert. Insgeheim hatte Lena die Befürchtung, dass sie selbst davon aß. Aber das sollte nicht ihr Problem sein.
Versonnen schaute sie Magnus an. „Woher kennst du eigentlich Frau Melchior?“, wollte sie dann wissen.
„Ich kenne sie schon Ewigkeiten. Sie ist eine … ja?“ Ein Kollege aus der Grafik stand vor der Tür und hatte eine Frage, und somit musste sich Lena mit der Antwort wohl bis zum Abend gedulden. Während Magnus noch im Gespräch war, winkte sie ihm kurz zu und verließ dann die Agentur, um einzukaufen, zu duschen und dann mit den Essensvorbereitungen zu beginnen. Wie sie sich auf den Abend mit Magnus freute! Aber sie wollte wirklich alles wissen. Und das mit Johanna Melchior vor allen Dingen auch. Bis Magnus kam, wollte sie noch mal mit Fabrizio gesprochen haben. Und einen Barolo wollte sie ja ebenfalls ersteigern. Gut, das konnte sie auch noch machen. Als sie aus dem Supermarkt kam, musste sie so dringend zur Toilette, dass sie es auf gar keinen Fall mehr bis nach Hause schaffen würde. Also ging sie in eines der vielen Cafés. Nachdem sie sich die Hände gewaschen hatte und durch das Café in Richtung Ausgang gehen wollte, hörte sie plötzlich Magnus’ Stimme. Erschrocken wandte sich Lena um und sah ihn mit Johanna Melchior an einem Tisch sitzen. Schnell versteckte sie sich hinter der Garderobe.
Die beiden lachten sich an, und Johannas Hand lag auf der von Magnus.
„Wirklich?“ Johannas kehliges Lachen war nicht zu überhören. „Ich habe doch gleich an ihrer Stimme gehört, dass irgendwas passiert sein muss. Aber wie willst du ihr
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