Kalter Tee und heiße Kuesse
Papier sortierte, warf er einen Blick darauf und fing schließlich an zu lesen. Danach fand er noch eine ausgedruckte Tabelle. Lena hatte diese damals erstellt und genau darauf notiert, wann sie das Manuskript welchem Verlag geschickt hatte, und auch, wann die einzelnen Verlage abgesagt hatten. Magnus las weiter in dem Manuskript. Auf der ersten Seite stand der Titel: Septembersonne . Nach ein paar Minuten fasste er einen Entschluss, steckte die Septembersonne in eine Klarsichthülle und verstaute die in seiner Aktentasche.
Lena stand auf und ging ins Wohnzimmer. Sie löschte die Anrufe von Magnus, ohne einen einzigen abzuhören. Dann schaltete sie ihren Laptop an und schrieb eine E-Mail an die Melchior. Kurz und knapp formulierte sie, dass die ihrer Chefin wohl bekannten persönlichen Umstände es ihr unmöglich machten, weiter für sie zu arbeiten, und dass die schriftliche Kündigung in den nächsten Tagen mit der Post kommen werde. Im Anschluss schrieb sie noch eine Mail an Charlotte, mit der sie alles erklärte und um einen Anruf bat. Zu guter Letzt machte sie sich daran, die Kündigung zu formulieren. Als diese ausgedruckt und unterschrieben war und in einem Umschlag steckte, fühlte sie sich ein Stück weit besser.
Bloß was sollte jetzt werden? Ohne Job? Die Miete musste ja weiterhin bezahlt werden und die Stromrechnung auch, und von irgendetwas musste sie ja leben.
Wenn sie selbst kündigte, würde sie vom Arbeitsamt keinen Cent sehen. Doch ihr Entschluss stand fest. Nie wieder würde sie einen Fuß in das Agenturgebäude von Melchior & Partner setzen. Am liebsten würde sie ihre Koffer packen und auswandern. Da klingelte erneut das Telefon. Sie schaute aufs Display und erkannte die Kieler Vorwahl 0431. Das musste ihre beste Freundin Frauke sein. Lena überlegte kurz, dann drückte sie auf den grünen Annahmeknopf.
„Lena! Endlich bist du mal zu Hause“, redete Frauke los. Lena legte sich mit dem Telefon aufs Bett und hörte zu, was ihre älteste Freundin zu erzählen hatte. Frauke arbeitete als Assistentin der Geschäftsführung bei einem alteingesessenen Sachbuchverlag in Kiel und war mit ihren neunundzwanzig Jahren immer noch der Meinung, dass man nie erwachsen werden müsste, verschliss reihenweise die Männer, hatte mal Aquarellmalen zum Hobby und dann Esoterik, und lebte einfach so ohne größere Sorgen vor sich hin.
„Und wie geht es dir denn so? Willst du mich nicht endlich mal in Kiel besuchen kommen? Meine Wohnung liegt direkt an der Ostsee, du glaubst nicht, wie toll das ist, abends am Meer entlangzuspazieren, das muss man einfach mal erlebt haben. Aber du, soll ich dir mal den neuesten Tratsch aus der Firma erzählen?“ Ohne Lenas Antwort abzuwarten, fuhr Frauke fort. „Wir wollen uns vergrößern und jetzt auch Belletristik ins Programm aufnehmen. Und soll ich dir was sagen, der Juniorchef, der sich ja eigentlich total mit dem Alten verkracht hat, schickt doch heute ein Manuskript mit dem Kurier. Der Alte hat es sich angeschaut und dann dem Lektorat gegeben, und gerade eben hab ich es mir durchgelesen. Du, so was Ergreifendes, so was Schönes, also ganz ehrlich, das erinnerte mich ein bisschen an die Geschichte zwischen Alexander und dir. Ihr habt ja auch Ewigkeiten gebraucht, um voneinander loszukommen. Na ja, jedenfalls wollen die das jetzt rausbringen. Ich hätte ja nie gedacht, dass der Juniorchef in seiner Freizeit selbst schreibt. Lena, du sagst ja gar nichts?“
In Lena kroch die Kälte hoch. Sie umklammerte den Telefonhörer so, dass ihre Knöchel weiß wurden. „Hat das Manuskript auch einen Namen?“, fragte sie mit heiserer Stimme.
„Klar“, sagte Frauke fröhlich. „ Septembersonne . Ich finde den Namen total klasse.“
9. KAPITEL
„Johanna, bitte sag mir, was ich tun soll.“ Verzweifelt saß Magnus vor der alten Freundin seiner Eltern und hatte mittlerweile den dritten Whisky intus. Wenn das so weiterging, würde er noch Alkoholiker werden.
„Aber ich bitte dich, Magnus.“ Johanna sah die Sache viel gelassener. „Ich werde morgen mit Frau Sanders ein kleines Gespräch unter vier Augen führen, und schon ist die Sache vergessen. Das sollte nun wirklich kein Problem sein.“
Magnus schüttelte den Kopf. „So einfach wird sie es dir nicht machen. Sie geht ja auch nicht ans Telefon, selbst die Tür hat sie nicht aufgemacht. Ich wette, wenn ich ihr schreibe, wird sie die Mail oder den Brief nicht lesen. Sie ist … halsstarrig und störrisch.“
„Dann scheint
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