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Kalter Weihrauch - Roman

Kalter Weihrauch - Roman

Titel: Kalter Weihrauch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Refektorium zugelächelt hatte und die also Schwester Agnes war, deutete auf einen Teigklumpen, der seidig glänzend auf einem bemehlten Tischtuch lag, ein zweiter Knödel wartete auf einem Brett daneben. »So, fangen wir an. Die Jonathan hab ich schon vorbereitet.« Sie wies auf zwei Körbe voll rotbackiger Äpfel, die auf der Anrichte standen. »Dazu nehmen Sie am besten das kleine spitze Messer. Eine Schürze kriegen Sie auch noch von mir. Und immer schön dünn schälen, ja?«
    Sie standen nebeneinander beim Arbeiten, Lisa gab ihr Allerbestes, um die Äpfel gleichmäßig zu schälen. Säuerlicher Duft stieg von dem saftigen Fruchtfleisch hoch. Sie reichte die Äpfel an Schwester Agnes weiter, die sie in dünne Scheiben schnitt. »Ich fang jetzt mit dem Ausziehen an«, sagte die Köchin nach einer Weile. Sie ging zu dem Teigklumpen und drückte ihn mit ein paar energischen Bewegungen ihrer Handballen platt, dann begann sie so vorsichtig und konzentriert wie eine Restauratorin an ihm herumzuzupfen. Immer größer und flacher wurde der Teig, immer dünner, wie ein vanillegelber See, der sich langsam von der Tischmitte hin zu seinen Rändern ergoss. Lisa sah voller Faszination zu. »Nicht aufs Schälen vergessen«, mahnte Schwester Agnes, die über den Tisch gebeugt stand, aber es klang freundlich und nicht wie ein Verweis. Lisa machte sich wieder an die Arbeit. Und endlich kam ein Gefühl wie Weihnachtsfrieden über sie. Flocken tanzten vor den Fenstern, der Herd summte. Getrocknete Kräuter hingen an einer Stange von der Decke und drehten sich sachte in der warmen aufsteigenden Luft. Es roch nach Äpfeln und ganz schwach nach Zimt. Wenn so das Leben im Kloster war, dann konnte man sich eigentlich ganz gut vorstellen, weshalb …
    »So, den ersten werden wir jetzt füllen«, sagte Schwester Agnes. Sie beträufelte den nun hauchdünnen Teig mit zerlassener Butter aus einem blauen Emaillepfännchen. Dann ging sie zum Herd und wollte die schwere gusseiserne Pfanne holen, in der geröstete Brösel glänzten, aber Lisa kam ihr zuvor. Die Brösel wurden auf dem Teig verteilt, dann die Apfelscheiben. Rosinen wurden großzügig darüber gestreut, schließlich Zucker und Zimt. Das glaubt mir niemand, dachte Lisa. Dass ich hier in einer Klosterküche stehe und einer alten Schwester zuschaue, wie sie einen Strudel macht. Völlig verrückt. Total abgehoben. Schwester Agnes rollte den Teig samt Fülle mit raschen geschickten Bewegungen zusammen, dann musste Lisa das große Blech aus dem Backofen unter die Tischkante halten. Schwester Agnes ruckelte am Tischtuch und plopp, da lag er, der Apfelstrudel. Lisa grinste so stolz, als ob sie ein Neugeborenes in den Armen halten würde, dem sie soeben selbst in die Welt geholfen hatte. Der Strudel wurde in den Ofen verfrachtet.
    »Jetzt machen wir eine kurze Pause«, sagte Schwester Agnes, »dann kommt der nächste dran.« Sie tranken beide ein großes Glas Wasser, Lisa hatte gar nicht bemerkt, wie durstig sie geworden war in der Hitze dieses Gewölbes.
    »Haben Sie Kinder?«, fragte Schwester Agnes.
    Lisa nickte. »Zwei. Die Miriam ist bald 16, und der Max ist fünf. Der kommt nächstes Jahr in die Schule und kann es schon gar nicht mehr erwarten.«
    »Und Ihre Kinder sind jetzt wo?«
    Es hatte nicht wie ein Vorwurf geklungen, aber Lisa empfand es so. Sie hatte sowieso schon ein schlechtes Gewissen, weil sie einfach abgehauen war, da brauchte ihr nicht auch noch diese Betschwester mit dummen Bemerkungen kommen. Die hatte selbst nie eine Familie am Hals gehabt mit den vielen großen Problemen und all den vielen kleinen Sorgen, die einen täglich auffraßen, wenn man allein war. Was ging das diese Schwester an?
    »Meine Mutter ist gerade bei ihnen«, sagte Lisa, der trotzige Ton ihrer Stimme war unüberhörbar.
    »Ich stelle mir das unglaublich schwer vor, was ihr Frauen da draußen jeden Tag leistet«, sagte Schwester Agnes. »In die Arbeit gehen und Verantwortung tragen. Und dann einkaufen und nach Hause kommen und den Haushalt machen, die Wäsche und das Kochen und alles, was so anfällt. Denn ich glaube einfach nicht, dass die Männer wirklich mithelfen, auch wenn das immer in den Zeitungen steht. Und sich dann noch um die Kinder kümmern müssen, Zeit haben, zuhören, trösten, pflegen, wenn sie krank sind. Wie schafft ihr das nur alles, ihr modernen Frauen?«
    »Ooch, das geht schon«, murmelte Lisa. Aber sie hatte auf einmal so einen Knödel im Hals. Am liebsten hätte sie

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