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Kalter Weihrauch - Roman

Kalter Weihrauch - Roman

Titel: Kalter Weihrauch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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zur Klausur war fest verschlossen, und natürlich hätte sie für ihr Leben gern einen Blick dahinter geworfen! Wie kindisch, kaum war eine Sache verboten, so wurde sie auch schon interessant! Denn was sollte sich hinter der Tür anderes verbergen als ganz gewöhnliche Zimmer, die von Frauen bewohnt wurden? Die bestimmt auch nur …
    Beinahe wäre sie in die junge Schwester hineingerannt, die eine metallglänzende Kanne trug. »Oh, Verzeihung!«
    »Tut mir leid!« Die junge Schwester knickste mit hochrotem Gesicht, dann riskierte sie einen kurzen Blick, ehe sie wieder zu Boden blickte. »Wir haben im Refektorium für Sie gedeckt! Wenn Sie bitte mit mir kommen würden!«
    Sie folgte der jungen Schwester durch den langen Gang im Erdgeschoss bis ans Ende, um eine Ecke, dann öffnete die Schwester eine dunkelbraune geschnitzte Doppeltür, und sie betraten das Refektorium . Wie bei Harry Potter, dachte Lisa und war einen Moment lang in Versuchung, zu kichern. Aber dieser Heiterkeitsanfall ging rasch vorüber. Ein Dutzend Frauen saß an zwei Tischen längs der Wände, ihre weißen Kleider waren wie helle Tupfer vor der dunklen Wandvertäfelung. Ein riesiger Kronleuchter schwebte von der Decke, der Saal mündete in eine Art Podium, zu dem zwei Stufen führten. Auf dem Podium standen ein leerer Sessel, ein Pult und eine Stehlampe. Die junge Schwester knickste wieder, deutete auf ein Gedeck, das ganz am Ende des rechten Tisches aufgelegt war, und eilte zum Kopfende des Tisches, wo sie begann auszuschenken.
    »Guten Morgen«, sagte Lisa. Ein paar Schwestern wandten sich ihr für einen Augenblick zu, ein Gesicht lächelte sogar. Die Schwester mit den dicken Brillen zog die Augenbrauen hoch. Dann senkten alle wieder den Blick auf ihre Teller. Niemand sprach, nur das leise Klirren von Besteck und Tassen war zu hören. Lisa nahm Platz und inspizierte ihr Frühstück. Zwei Scheiben dunkles Brot, ein Stück Butter und ein Klacks Marillenmarmelade. Die junge Schwester hatte ihre Tasse bereits mit Tee aufgefüllt. Sie hätte so gern einen Kaffee gehabt, schwarz mit Zucker, aber es war völlig klar, dass es eine grobe Unhöflichkeit gewesen wäre, darum zu bitten. Selber schuld, warum war sie nicht in eine Therme gefahren, wie Artur ihr das so sehr ans Herz gelegt hatte! Da würde sie jetzt vor einem Frühstücksbuffet mit Speck und Eiern und Obstsalat stehen, statt hier …
    Sesselrücken hatte eingesetzt, einige Schwestern hielten die Hände wie zum Gebet gefaltet, andere begannen gerade, sich zu erheben. Lisa stopfte sich rasch noch einen ordentlichen Bissen Marmeladenbrot in den Mund und trank Früchtetee hinterher. Wer weiß, wann sie hier wieder etwas in den Magen bekommen würde. Sie bückte sich, um einen Krümel aufzuheben, dann blickte sie wieder hoch. Eine Frau war vor ihrem Platz stehengeblieben, sie trug eine Schärpe um die Mitte ihres weißen Habits, der Drache mit den dicken Brillen stand unmittelbar hinter ihr.
    »Sie sind also unser Gast«, sagte die Frau. »Wir haben am Telefon miteinander gesprochen. Ich hoffe, dass Sie sich bei uns wohlfühlen und die kurze Zeit zur Regeneration nützen können. Schwester Benedikta hat Ihnen ja bereits das Haus gezeigt.«
    Das musste also die Oberin sein, und der Drache hieß demnach Benedikta. Lisa schluckte und lächelte. »Ja, vielen Dank. Die Ruhe tut mir wirklich gut. Aber ich würde mich auch gern … gern etwas nützlich machen und nicht nur entspannen. Wenn das irgendwie möglich ist.«
    Nun lächelte auch die Oberin. »Ich befürchte, Sie werden sich mit der Stille und Abgeschiedenheit, die unser Haus bietet, zufriedengeben müssen. Üblicherweise kommen unsere Gäste im Sommer, dann ist es leichter, sie in den Tagesablauf einzugliedern. Aber vielleicht findet sich ja eine kleine Aufgabe für Sie. Arbeit hilft nicht nur dem Körper, sondern auch dem Kopf, um zur Ruhe zu kommen. Da haben Sie ganz recht, wenn Sie das so empfinden.«
    Sie neigte den Kopf und verließ gemessenen Schritts das Refektorium, Lisa hätte beinahe geknickst. Dann folgten paarweise die Schwestern, die meisten sahen zu Boden, einige wenige riskierten einen kurzen Blick auf den Gast, eine alte Schwester lächelte. Die junge Schwester war zurückgeblieben und hatte begonnen, das Geschirr auf ein Tablett zu schlichten.
    »Kann ich helfen?«, fragte Lisa. Aber die Schwester schüttelte nur den Kopf und flüsterte ein leises »Danke«. Auch gut. Lisa nickte ihr zu und machte sich zurück auf den Weg in

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