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Kalter Weihrauch - Roman

Kalter Weihrauch - Roman

Titel: Kalter Weihrauch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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zugedröhnt waren von Psychopharmaka und Beruhigungstropfen, nur damit sie Ruhe gaben. Aber kann man denn da nicht das Jugendamt einschalten, hatte sie naiv gefragt. Und die junge Tante hatte nur den Kopf geschüttelt. Die sind doch total überlastet, die kommen nicht einmal, wenn ein Kind immer wieder blaue Flecken hat. Da muss schon eines halb tot sein, bis etwas passiert. Genau, so war es. Erst vor drei Monaten hatte sie selbst solch ein Opfer auf dem Tisch liegen gehabt, ihr bislang schlimmster Fall von Kindesmisshandlung. 206 Knochen halten den menschlichen Körper zusammen, und fast alle 206 Knochen waren im Körper dieses Säuglings zerbrochen gewesen. Das kleine Mädchen hatte sich angefühlt wie ein Sack voller Wäscheklammern.
    Lisa Kleinschmidt sah auf den Körper, der vor ihr lag. Ein Tattoo schmückte den Oberarm von Suse Kajewski, ein verschlungenes Gebilde, das offenbar eine Rose darstellen sollte. Schlampig gestochen. In ein paar Jahren wäre die Rose nur mehr ein dunkler Klumpen gewesen. Denn das bedachten so viele nicht, die sich Rosen, Ranken und Namen in die Haut ritzen ließen. Dass ihre Haut altern und schlaff und faltig werden würde, und all die Rosen, Ranken und Namen dann ausschauen würden wie zerronnen. Geschäftstüchtige Hautärzte boten bereits jetzt Laserbehandlungen zu ihrer Beseitigung an, in ein paar Jahren würde das ein Bombengeschäft sein. Für diese Rose aber …
    »Na, Frau Doktor, was wird Ihnen das Christkindl bringen?«
    Kajetan lächelte sie an, er trocknete sich gerade die Hände ab. Sie lächelte zurück, dankbar für seine Freundlichkeit. »Ich weiß nicht. Ich hab eigentlich gar keinen Wunsch.«
    »Das sagt meine Freundin, die Manuela, auch immer. Aber wehe, ich hätt dann kein Packerl für sie!«
    Genau so war das, sie mussten beide lachen. Dann deckten sie Susanne Kajewski zu.

    *

    Der Nikolopunsch beim Grabner war natürlich offiziell abgesagt worden. Diesen Gefallen würden sie der Presse nicht machen und den Schreiberlingen selbst die Schlagzeilen liefern: Salzburger Mordkommission vergnügt sich bei Punsch und Keksen, während ein Serienmörder sein Unwesen treibt! Denn die Worte Serienmörder und Serienkiller prangten bereits in Balkenlettern auf den Titelseiten aller Zeitungen im Land und wurden sogar von den Fernsehreportern genüsslich ausgesprochen. Agota wurde natürlich als ›Nonne‹ bezeichnet, über ihre körperliche Besonderheit war, was für ein Segen, immer noch nichts durchgesickert. Es reichte auch so für seitenlange Berichterstattung. Endlich war wieder einmal richtig was los, nicht nur die ewigen Politaffären und Schmiergeldskandale, die jedem schon zum Hals hinaushingen. Ein grausamer, sadistischer, eiskalter, perfider Mörder trieb sein Unwesen, der noch dazu offensichtlich eine Rechnung mit der Kirche zu begleichen hatte. Danke, Herr im Himmel, für diese Fügung!
    Sie standen alle im Zimmer vom Grabner und hielten jeder ein Glas mit Punsch in der Hand. Denn das jährliche Nikolotreffen war natürlich nur offiziell abgesagt worden, inoffiziell hatte der Präsident alle Mitarbeiter in sein Büro gebeten, um die Lage zu besprechen. Und so standen sie jetzt zusammen, in den Händen die Gläser mit dem lauwarmen Punsch, die Vanillekipferln von der Gerda Dörfler standen unberührt auf der Anrichte von Tannenzweiglein umkränzt. Es herrschte eine Stimmung wie bei einem Leichenschmaus, aber bei einem Leichenschmaus für einen Menschen, den man gemocht hatte, dachte Pestallozzi. Denn er hatte schon Gelage nach einem Begräbnis erlebt, die geradezu …
    »Wollen Sie vielleicht nicht doch ein Kekserl probieren, Herr Chefinspektor?« Gerda Dörfler stand vor ihm und hielt ihm einen Teller unter die Nase, auf dem liebevoll mit Marmeladeklecksen dekorierte Haselnussbusserln lagen, ihre ganz besondere Spezialität.
    »Natürlich, sehr gern, Frau Dörfler!« Er lächelte sie an und nahm sich gleich drei Stück, die Kollegen um ihn taten es ihm nach. Die Dörfler schüttelte den Kopf. »Schrecklich, was da passiert ist! Und noch dazu gerade jetzt, vor Weihnachten! Die Menschen haben einfach keinen Respekt mehr! Vor gar nix!«
    Sie nickten alle bedächtig in der Runde und bissen in die Kekse, die wirklich vorzüglich waren, dann ging die Dörfler weiter, um ihre Haselnussbusserln auch den anderen anzubieten. Pestallozzi nahm einen Schluck vom Punsch. Schade, dass Lisa nicht mehr da war, der hätten ein wenig Ablenkung und ein paar Haselnussbusserln gut

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