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Kalter Weihrauch - Roman

Kalter Weihrauch - Roman

Titel: Kalter Weihrauch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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zusammengewohnt hat, die ist gerade in Innsbruck. Aber wie passt das alles zu der Toten aus dem Kloster? Über die wir ja Bescheid wissen. Wo soll da der Zusammenhang sein? Wir tappen noch völlig im Dunkeln.«
    Grabner sah wenig erfreut drein, kein Wunder. Tobias Quendler schnaufte. Also, das hätte er jetzt bestimmt anders formuliert als dieser Pestallozzi. Nicht so direkt. Positiver in jedem Fall.
    Grabner schwieg, dann legte er Pestallozzi eine Hand auf die Schulter. »Kollege, kann ich Sie kurz unter vier Augen sprechen?«
    »Selbstverständlich.«
    Sie gingen ins Nebenzimmer, das normalerweise das Reich von Grabners Sekretärin, der Dörfler, war. Die anderen sahen ihnen nach, voller Erleichterung, dass sie zurückbleiben durften bei Punsch und Keksen. Der Präsident ging zum Fenster und blickte hinaus, dann wandte er sich zu Pestallozzi um, der neben dem Schreibtisch mit dem blühenden Weihnachtskaktus stehengeblieben war.
    »Also, Pestallozzi, es ist nämlich so …« Er verstummte, offenbar war die Neuigkeit keine allzu erfreuliche. Pestallozzi stand gelassen da, aber sein Rücken schmerzte. Unten, wo die Lendenwirbel waren. Und im Nacken. Eigentlich überall.
    »Es ist einfach kein Weiterkommen in diesem Fall. In diesen Fällen , muss man ja jetzt schon sagen. Es geht einfach nichts weiter!« Grabner polterte drauflos, um sein Unbehagen zu überspielen. Mit irgendetwas würde er gleich herausplatzen, das ihm peinlich war. Nach langen Jahren der Zusammenarbeit kannte Pestallozzi alle Taktiken seines Vorgesetzten.
    »Ich wollte mit Leo gerade nach Ungarn fahren, als …«
    »Ja ja, schon gut, ich weiß, dass Sie nicht untätig herumsitzen, Pestallozzi. Jedenfalls, Sie können sich ja vorstellen, was bei mir los ist! Oder nein, das können Sie sich nicht vorstellen! Nicht einmal Sie! Aber fragen Sie die Dörfler! Im Stundentakt kommen die Anrufe! Das Büro vom Herrn Kardinal. Die Frau Minister. Die Fritzen von der Presse sowieso. Es geht zu wie im …«
    »Wir tun unser Bestes, Herr Polizeidirektor!«
    »Aber das ist eben nicht genug! Und deshalb …« Grabner funkelte Pestallozzi wütend an, als ob der die Schuld an dem ganzen Schlamassel tragen würde. Dabei war ihm das alles nur furchtbar peinlich. Gleich musste er seinem besten Mann eine vor den Latz knallen, dass sogar der stets besonnene Pestallozzi schlucken würde.
    »Das Ministerium will einen Profiler schicken!« So, ein Anfang war gemacht.
    »Ah ja!« Pestallozzi blieb völlig ungerührt.
    Aber das dicke Ende kam ja noch, Grabner fuhr sich mit den Fingern zwischen Hals und Hemdkragen. Furchtbar, wie heiß es in diesem Zimmer war. Kein Wunder, dass bei der Dörfler jedes Unkraut blühte wie im Palmenhaus.
    »Es ist übrigens der Woratschek!«
    »Der Woratschek?« Pestallozzi starrte seinen Chef an. »Doch nicht der Woratschek, der …«
    »Genau der! Der Woratschek, der …« Sie sahen sich an und verstanden sich auch ohne Worte. Der Speichellecker. Der Arschkriecher. Dr. Clemens Woratschek. Der arrogante Pimpf, den sie im vergangenen Jahr nur mit Müh und Not losgeworden waren. Der zurück nach Wien beordert worden war, als der vormalige Herr Minister seinen Hut nehmen musste und keine schützende Hand mehr über seinen Günstling halten konnte. Sie hatten seitdem nichts von ihm gehört, und ausgerechnet jetzt musste …
    Grabner seufzte tief und schwer. »Er hat Kurse gemacht, war sogar ein halbes Jahr in Amerika auf einer FBI-Akademie. Die Frau Minister ist höchst angetan, dass wir jetzt auch so einen Experten haben. Glauben Sie mir, Pestallozzi, ich habe wirklich alles versucht, um die Sache abzubiegen, aber da war nichts zu machen. Der Woratschek ist schon im Anmarsch. Er hat sogar auf einem eigenen Büro bestanden, aber das ist auf keinen Fall machbar, wir platzen ja jetzt schon aus allen Nähten. Das habe ich auch der Frau Minister in aller Deutlichkeit gesagt. Aber wir müssen ihm wenigstens einen eigenen Schreibtisch zur Verfügung stellen. Ich habe mir gedacht, wir setzen ihn zum …«
    Pestallozzi ließ den Grabner reden. Sein Rücken fühlte sich an, als ob er gleich in lauter einzelne Wirbel zerbrechen würde. Der Woratschek, diese Laus! Der hatte ihm gerade noch gefehlt. Gerade in diesem Fall, der ihm vorkam, als ob er nur in grenzenlosem Nebel herumtappen würde. Und jetzt auch noch die Ratschläge von einem Profiler ! Das war ein schwarzer Advent in diesem Jahr.

    *

    In dieser Wohnung war schon lang kein Fenster mehr

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