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Kalter Weihrauch - Roman

Kalter Weihrauch - Roman

Titel: Kalter Weihrauch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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stand neben ihnen. Als er Pestallozzi erblickte, kam er eilig auf ihn zu.
    »Die Frau Doktor Kleinschmidt ist schon unten.« Er schluckte und sah zu Boden. »Bei der Suse.«
    »Bei der Suse?« In Pestallozzis Hinterkopf begann es leise zu klingeln.
    »Die Suse vom Tankstellencafé. Im Sommer hat sie immer im Espresso auf der Promenade gekellnert. Aus Schwerin war sie. So a nettes Mädl.« Krinzinger räusperte sich, dann wies er zum Ufer hinunter. »Dort unten liegt sie.«
    Sie stellten die Jackenkrägen hoch und vergruben die Hände in den Taschen, so stapften sie nebeneinander durch den Matsch. Auf der Bundesstraße waren es nur ein paar vereinzelte Flocken gewesen, aber nun war es wieder ein richtiges Gestöber geworden, man konnte kaum zwei Meter weit sehen. Verfluchtes Wetter, dachte Pestallozzi. Als ob es mit dem Mörder im Bunde wäre. Oder mit den Mördern. Oder der Mörderin. In seinem Kopf wirbelte alles durcheinander, er hasste diesen Fall. Der möglicherweise gar nicht ein Fall war. Sondern … Und jetzt wehte auch noch der verdammte Schnee alle Spuren zu. Wie vor fünf Tagen, als der Krinzinger die Agota gefunden hatte. Verfluchtes Wetter! Dabei war er sich immer so überlegen vorgekommen, wenn andere über das Wetter jammerten. Was in Salzburg ja ziemlich oft vorkam. Aber er hatte es immer irgendwie tröstlich gefunden, dass noch niemand das Wetter zu beherrschen vermochte. Nicht einmal die Amerikaner und Chinesen mit ihren Flugzeugen, mit denen sie immerhin schon Gewitterwolken sprengen konnten. Aber den Winter vertreiben? Und jetzt saute ihnen der Schnee alles zu und half dem Täter womöglich beim …
    Sie tauchte so unvermutet in dem Schneetreiben auf, dass er beinahe erschrak. Aber zum Glück verbarg seine gesteppte Jacke jedes Zusammenzucken. Lisa kniete neben einem dunklen Bündel im hellen Schnee, es sah aus wie ein altes Gemälde. Wie eine der Heiligen, die sich über einen Siechen beugt. Was für lächerliche Gedanken mir doch manchmal durch den Kopf gehen, dachte Pestallozzi. Dann tauchten plötzlich weiße Gestalten auf, die Kollegen von der Spurensicherung in ihren Schutzanzügen. Ihre Gesichter waren bleich und verfroren. Einer hielt ihm ein durchsichtiges Nylonsäckchen entgegen. »Wir haben alles so gelassen, wie man sie gefunden hat, Artur. Damit du einen Blick darauf … auf alles werfen kannst. Nur in ihre Anoraktaschen haben wir schon geschaut. Ein Smartphone und ein Personalausweis, ein Labello und ein Schlüsselbund mit so einem kleinen Plastikschuh als Anhänger. Kein Geld, aber vielleicht hat sie ja etwas in den Hosentaschen. Wir wollten sie noch nicht umdrehen oder hochheben.«
    Pestallozzi nahm die Tüte und reichte sie an Leo weiter. »Dank dir, Klaus. Leo, nimm dir mal das Handy vor, am besten im Auto. Schau dir die letzten Anrufe an.«
    »In Ordnung. Ich versuch’s mit einem jail break«, sagte Leo lässig. Er warf nur einen ganz kurzen Blick auf die Tote, dann stapfte er davon und versuchte, sich seine Erleichterung über den Auftrag im warmen Auto nicht anmerken zu lassen. Pestallozzi ließ sich neben Lisa auf die Fersen nieder. Klaus von der Spurensicherung holte einen Block hervor.
    »Susanne Kajewski, geboren am 1.4.92 in Schwerin. Das ist drüben, im ehemaligen Ostdeutschland, jetzt ist es Mecklenburg-Vorpommern, ein deutsches Bundesland. Lebt schon seit über zwei Jahren hier. Arbeitete als Kellnerin, das wissen wir vom Krinzinger. Teilt sich, oder besser gesagt, teilte sich eine Wohnung mit einer gewissen Marion Kaserer aus Salzburg. Die haben wir noch nicht …«
    »Danke!« Pestallozzi hob die Hand, der Kollege verstummte. Sie waren alle an seine Marotten gewöhnt. Wenn er jetzt Ruhe haben wollte, auch gut. Keiner von ihnen beneidete ihn um die Leitung in diesem Fall.
    Suse. Suse aus Schwerin. Plötzlich sah er sie wieder vor sich, die hübsche junge Frau. Ich komme aus Schwerin … Das hatte sie im vergangenen Sommer erzählt, als er und Leo in das kleine Espresso gekommen waren. Bei uns gibt es kaum noch Arbeit, deshalb bin ich hierher gekommen. Hierher. Aus Schwerin, das bestimmt noch um einiges weiter weg war als die ungarische Grenze. Pestallozzi versuchte, sich eine Europakarte vorzustellen. Zwei junge Menschen, die es in die Fremde verschlagen hatte, und die beide den Tod gefunden hatten, einen grausamen, gewaltsamen Tod. In dieser Winterlandschaft, mitten im Advent. Aber wo war der Zusammenhang, wo war …
    »Artur«, sagte Lisa leise, »wir sollten

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