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Kalter Weihrauch - Roman

Kalter Weihrauch - Roman

Titel: Kalter Weihrauch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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geöffnet worden, die zwei Zimmer hätten endlich wieder einmal gut durchgelüftet gehört. Es roch nach getragener Wäsche, die achtlos auf Stühlen und dem Boden lag, nach kalter Pizza und nach den vollen Aschenbechern, die überall im Raum standen. Marion Kaserer, die nunmehr einzige Bewohnerin, saß ihnen gegenüber auf einem ungemachten Bett und zerdrückte gerade einen Zigarettenstummel in einer Teetasse. Ihr Gesicht war bleich und verquollen, die Haare hatte sie zu einem achtlosen Knoten im Nacken zusammengedreht. Der Lack auf ihren Fingernägeln war abgesplittert, auf den Resten kaute und zupfte sie herum, wenn sie sich nicht gerade eine neue Marlboro light anzündete. Wie eben gerade.
    »Frau Kaserer«, sagte Pestallozzi, »Sie sehen aus, als ob Sie schon lang nichts mehr gegessen oder etwas Warmes getrunken hätten. Wollen wir nicht in ein Gasthaus gehen und eine Suppe essen? Das würde Ihnen gut tun, bestimmt.«
    Aber die Kaserer schüttelte nur den Kopf. »Ich geh da nicht raus. Ganz sicher nicht. Damit mich alle anstarren? Und ich hab eh keinen Hunger.« Sie inhalierte so tief, dass kaum Rauch wieder zwischen ihren Lippen auftauchte. Leo wäre trotzdem so furchtbar gern aufgesprungen und hätte die Fenster aufgerissen. Aber dann wäre es nur noch kälter und ungemütlicher in diesem Horrorkabinett geworden. Besser, sie brachten die Sache hinter sich und machten, dass sie wieder die Tür von außen schließen konnten. Ihm kratzte jedenfalls jetzt schon der Hals. Leo schluckte.
    »Also«, fing Pestallozzi von Neuem an, »Sie haben die Suse bei der Gemeindeversammlung zum letzten Mal gesehen. Und sie hat Ihnen nicht gesagt, ob sie noch etwas Bestimmtes vorhatte oder jemanden treffen wollte?«
    Wieder Kopfschütteln, die Kaserer starrte auf den Boden. »Die wollt nur nach Hause. Die war einfach hundemüde. Dabei hat der Weihnachtsmarkt erst begonnen. Aber am Tag musst im Geschäft stehen und am Abend dann am Stand vom Ricardo Punsch und Würschteln verkaufen. Und immer gut drauf sein. Das schlaucht.« Sie hatte sogar auf die Zigarette in ihrer Hand vergessen, gleich würde die Glut ihre Finger erreichen. Leo hüstelte, aber die Kaserer reagierte nicht. Ihre Finger waren auch so blaurot, als ob ihnen ein bisschen Hitze nichts anhaben könnte. Ob das vom vielen Abwaschen kam, vom Spülwasser, in das die Kaserer bestimmt schon 100 000 Gläser getaucht hatte?
    »Und die Suse hat wirklich keinen Freund gehabt? So ein hübsches Mädel?«
    Die Marion schnaufte verächtlich. »Hübsch! Hübsch! Freilich war sie hübsch! Als Serviererin musst was gleichschauen. Aber deswegen kriegst noch lang keinen Freund, einen richtigen, mein ich. Alle wollen’s nur das eine. Und dann kennt dich keiner mehr. Oder glauben Sie vielleicht, dass einer von den Jungen da, die einmal einen Hof oder ein Hotel oder sonstwas erben werden, eine von uns nach Haus bringen darf? Ha!« Die Kaserer lachte endlich einmal, aber es klang alles andere als fröhlich. Wenigstens hatte sie sich warmgeredet. »Die Jasmin, eine Freundin von mir, hat das einmal probiert. In die hat sich der Lukas vom Sonnhof drüben in Hallstatt so verschaut, dass er sie sogar geheiratet hat. Die Jasmin hat geglaubt, sie hat das große Los gezogen. Aber dann ist sie von allen behandelt worden wie eine Aussätzige. Was willst denn überhaupt da, du hast doch einen Dreck mitgebracht. Das hat die jeden Tag zu hören bekommen, von der Früh bis am Abend. Und die Frau Schwiegermutter, die Mutter vom Lukas, war am allerärgsten. Die hat die Jasmin behandelt, schlimmer als wie bei den Türken in Anatolien, das hab ich nämlich einmal im Fernsehen gesehen, wie da die jungen Frauen im Haus behandelt werden. Grad, dass ihr die Jasmin nicht hat die Füß waschen müssen. So war das. Und der Lukas hat nur den Mund gehalten und vor seiner Mutter gekuscht, damit nicht am End doch noch seine Schwester das Hotel kriegt. Nach zwei Jahren hat sich die Jasmin dann scheiden lassen. Jetzt steht sie oben in Gastein hinter der Bar.«
    »Schlimm klingt das, was Sie da erzählen, Frau Kaserer«, sagte Pestallozzi. »Trotzdem, ich bin mir ganz sicher, dass Sie uns weiterhelfen können. Die Suse war doch Ihre Freundin.«
    »Freundin? Na, so kann man das net nennen. Wir haben halt zusammen gearbeitet und zusammen gewohnt, weil’s billiger ist. Aber Freundin …« Die Kaserer klang trotzig, aber das Wasser stieg ihr dennoch in die Augen. Pestallozzi sah sich suchend um, dann entdeckte er eine

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