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Kalter Weihrauch - Roman

Kalter Weihrauch - Roman

Titel: Kalter Weihrauch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Weihnachtsmarkt hinter sich gelassen hatten. Aber irgendwo auf dem Weg hinunter zur Getreidegasse hatte sie nach seinem Arm gegriffen und sich untergehakt. Es war ein seltsam angenehmes Gefühl, mit einer Frau Arm in Arm zu gehen, er merkte plötzlich, wie sehr er solche Kleinigkeiten in seinem Leben vermisste, aber es sich nie eingestehen würde, er war schließlich kein Jammerer.
    »Ist es Ihnen unangenehm?«, fragte die Frau neben ihm. Er schüttelte nur den Kopf. So stapften sie dahin, der Schnee in den kleinen Gassen war noch nicht geräumt worden, er ging ihnen fast bis zu den Knöcheln. Und was jetzt? Wohin sollten sie sich wenden? Er sah sich unauffällig um und merkte, wie sich das wunderbar angenehme Gefühl schon wieder verabschiedete. Wohin ging man mit einer Henriette Gleinegg, die natürlich nur die allerbesten Lokalitäten gewohnt war? Vorn an der Getreidegasse gab es den ›Goldenen Hirsch‹, das berühmteste und teuerste Lokal von Salzburg. Sollte er sie dorthin einladen, ganz lässig? Oder lieber auf ein Bier ins Müllner Bräu? Er holte tief Luft. »Hätten Sie vielleicht Lust auf eine heiße Suppe? Im Goldenen Hirsch? Oder lieber ein Bier und eine Brezen im Bräustübel?« Geschafft. So, jetzt war sie am Zug.
    Henriette Gleinegg war stehengeblieben, sie blickte sich um, als ob sie sich erst orientieren müsste. Dann sah sie Pestallozzi an. »Ich weiß nicht so recht. Eigentlich habe ich für heute Abend genug von dem Trubel. Aber auf meiner Terrasse ist es nicht ungemütlich. Ich habe ein paar Feuerkörbe aufgestellt und einen Scotch könnte ich Ihnen auch anbieten. Oder ein Budweiser. Nur mit selbstgebackenen Keksen kann ich leider nicht dienen.« Es war bestimmt spöttisch gemeint, aber ihre Stimme klang angespannt, als ob sie gerade eine Prüfung bestehen müsste. Auf ihre Terrasse also, die er nur einmal im Sonnenlicht gesehen hatte, als er sie zum Tod ihres Vaters befragt hatte. Dort musste es jetzt wirklich wunderschön sein, mit dem Blick über die Salzach und hinüber zu den Bergen, die bestimmt weiß vor dem Nachthimmel schimmerten. Warum eigentlich nicht? Er hatte schon so lang keinen guten Whiskey mehr getrunken, er hatte schon so lang nicht mehr mit einer Frau geflirtet. Und wenn sich mehr daraus ergeben sollte? Warum denn nicht? Zur Hölle mit seinen ewigen Bedenken!
    »Warum nicht?«, sagte Pestallozzi. »Sehr gern.«
    »Allora! Steht Ihr Auto hier irgendwo in der Nähe?«
    »Bedaure. Das parkt vor der Polizeidirektion draußen an der Alpenstraße.«
    »Dann müssen wir ein Taxi nehmen. Mein Wagen parkt drüben auf der anderen Seite beim Mirabellgarten, das ist mir jetzt einfach zu weit.«
    Sie ergatterten sogar ein Taxi unten an der Brücke, es war einfach ein magischer Abend. Die kurze Fahrt saßen sie nebeneinander und sahen zum Fenster hinaus, jeder auf seiner Seite. Was sie jetzt wohl dachte? Der Fahrer beäugte sie im Rückspiegel. Was der wohl von ihnen dachte?
    Vor ihrer Villa bezahlte er den Fahrer und hielt ihr die Tür auf, dann folgte er ihr durch den Park zum Eingang an der Seitenfront des Gebäudes. Die Galerie im Erdgeschoss wurde nur von Spots erleuchtet, die ein einziges blutrotes Gemälde zum Leuchten brachten. Sie fuhren hinauf in den ersten Stock und redeten noch immer nichts, Henriette Gleinegg tippte einen Code in die Tastatur neben der Tür und ging voran, Lampen mit gedämpftem Schein flammten in den Ecken auf. Der Raum sah noch immer so großzügig und einladend aus wie damals im Sommer. Nur die Geweihe an der Wand waren verschwunden, von denen lässig Hüte und Schals gebaumelt hatten. Und über die riesige Wohnlandschaft waren pelzgefütterte bunte Decken gebreitet, die so dick gewirkt waren wie Flickenteppiche. Es sah ein bisschen aus wie in einem Berberzelt. Sehr gemütlich.
    Sie ging zu der Anrichte an der Längsseite des Raumes, wo ein Tablett mit Flaschen und Gläsern stand, und griff nach einer Flasche, die sie einladend schwenkte. »Scotch? Oder vielleicht doch ein Bier?«
    »Ein Whiskey wäre wunderbar. Ohne alles bitte.«
    Sie kicherte, als ob er einen Witz gemacht hätte. Dann reichte sie ihm sein Glas, sie hatte großzügig eingeschenkt. Sie prosteten sich zu und nahmen jeder einen tiefen Schluck. Wohlbehagen und Wärme breiteten sich in seinem Körper aus, er lächelte ihr zu, sie lächelte zurück.
    »Musik?«
    »Gern.«
    Sie drückte ein paar Knöpfe, und eine Stimme erfüllte den Raum, die ihm nur allzu bekannt vorkam. Genau, das war doch

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