Kalter Weihrauch - Roman
bin zu ihr hin und wollte ihr aufhelfen, aber ich habe vor lauter Aufregung, es war ja auch völlig dunkel, das Band erwischt, das sie um den Hals gehabt hat. So ein Stirnband. Es war einfach ein total unglückseliger Reflex. Die Frau Kajewski hat so ein komisches Geräusch gemacht, so ein Gurgeln, wie wenn man sich übergeben muss. Es war ein völliges Durcheinander im Finstern. Dann war sie plötzlich ganz still und ist so schlaff geworden. Es war ein Unfall! Ein Unfall! Das müssen Sie mir glauben, bitte !«
»Und der Rosenkranz?«
Steinfeldt zuckte mit den Achseln. Er sah um Jahre gealtert aus. »Den habe ich aus dem Auto geholt und ihr in die Hand gedrückt. Es war eine Geste, die mir einfach … einfach passend erschienen ist.«
»Ah ja, eine Geste für das Opfer. Sehr schön. Es könnte natürlich auch sein, dass Sie bereits mit dem Vorsatz gekommen sind, sich Ihre schwangere Geliebte vom Hals zu schaffen, und schlauerweise einen Rosenkranz dabei hatten, um den Verdacht auf denjenigen zu lenken, der eine junge Frau aus dem Kloster getötet hat. Nicht schlecht, Herr Doktor!«
»Was denken Sie von mir? Ich habe doch nie im Leben vorsätzlich gehandelt! Es war ein Unfall, das habe ich Ihnen genau beschrieben! Ein Unfall mit tödlichem Ausgang, zu meinem allergrößten Bedauern. Einen Rosenkranz habe ich außerdem seit vielen Jahren immer im Handschuhfach.« Steinfeldt schwankte zwischen Empörung und Selbstmitleid. Pestallozzi hatte plötzlich eine regelrechte Vision: Dr. Johannes Steinfeldt auf der Anklagebank vor den Geschworenen, flankiert von seinen Anwälten. Ein hochangesehener Bürger, Ehemann und Familienvater. Ein guter Christ, der sich ganz bestimmt am Sonntag in der Kirche sehen ließ. Der nur ein einziges Mal vom rechten Weg abgekommen war, verführt von einem jungen Luder. Denn die Anwälte würden nichts unversucht lassen, Suse nachträglich in den Dreck zu ziehen. Am liebsten hätte er dem Steinfeldt eine zwischen die Zähne gelangt, sodass es den in den Gatsch gepfeffert hätte. Aber er sagte nur: »Herr Doktor Johannes Steinfeldt, ich verhafte Sie wegen Verdacht des Mordes an Susanne Kajewski. Wir bringen Sie jetzt in die Polizeidirektion nach Salzburg.«
»Und mein Wagen?«
»Um den werden sich die Kollegen kümmern.«
Sie schlurften zum Skoda wie drei müde alte Männer. Vor dem Einsteigen bekam Steinfeldt von Leo Handschellen verpasst, zu seiner offenkundigen Entrüstung. »Ist das wirklich notwendig?« Pestallozzi nickte nur und wies ihm den Platz auf der Rückbank zu. Leo startete, wendete und sie fuhren zurück, durch das Schneetreiben, das Pestallozzi allmählich wie ein Gruß aus der Hölle vorkam.
»Für den Mord an dieser anderen Frau, der aus dem Kloster, habe ich übrigens ein absolut wasserdichtes Alibi, falls Sie mir den auch unterschieben wollen«, ließ sich Steinfeldt vernehmen. »Da bin ich mit meiner Frau in Wien gewesen, zu Besuch bei unserer Tochter. Wir waren im Musikverein, Maurizio Pollini hat gespielt, anschließend haben wir mit Freunden zu Abend gegessen. Im Sacher. Sie können das gern nachprüfen.«
»Wie schön für Sie. Und für Ihre Gattin und Ihre Tochter natürlich auch«, sagte Pestallozzi, er drehte sich nicht um. Steinfeldt verstummte, es blieb still im Wagen, bis sie in Salzburg waren.
*
Grabner war bester Laune, jovial und aufgeräumt. Am liebsten hätte er für sich und Pestallozzi ein Schnapserl eingeschenkt, aber das ging natürlich auf gar keinen Fall, mit diesem Ungustl von Woratschek vis-à-vis. Aber einen kleinen triumphierenden Unterton in seiner Stimme gestattete er sich: »Nun, Kollege Pestallozzi, da sind wir ja einen Riesenschritt vorangekommen, ich gratuliere. Übrigens auch dem Kollegen Attwenger, Sie haben seinen Anteil an den Ermittlungen sehr beeindruckend dargestellt. Den Burschen werden wir im Auge behalten müssen, der macht sich langsam. Aber das habe ich schon immer vermutet. Nun ja, wie gesagt, ein sehr schöner Erfolg. Und die Version von der Notwehr, die kann sich der Herr Steinfeldt in die Haare schmieren, ich habe schon mit unserer Frau Staatsanwältin telefoniert. Den werden auch die Anwälte aus Wien nicht mehr herauspauken können. Der einzige Wermutstropfen ist natürlich, dass wir noch immer den unaufgeklärten Mord an dieser Agota Lakatos haben. Weil es nun doch zwei Täter gibt, ganz im Gegensatz zu Ihrer Einschätzung, Herr Woratschek.« Grabner machte eine kleine Drehung und lächelte Woratschek milde und
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