Kalter Weihrauch - Roman
sagte Steinfeldt.
»Eine junge Frau, mit der Sie ein Verhältnis begonnen haben? Wollen Sie uns wirklich weismachen, dass Sie das Opfer waren?«
Steinfeldt machte eine müde Handbewegung. »Das werden Sie mir bestimmt nicht glauben. Weil Sie das schon tausendmal gehört haben, nehme ich an. Aber es war das erste Mal, das allererste Mal in meinem Leben, dass ich mich auf so eine Sache eingelassen habe. Ein Verhältnis. Eine Affäre. Mit einer jungen Frau, die kaum älter war als meine Tochter. Wenn ich daran zurückdenke, wie das alles passiert ist …« Er schwieg und schien nachzusinnen. »Sie war nicht wie die anderen Kellnerinnen, wenn Sie wissen, was ich meine. Sondern sie war so eine … so eine Nette. War immer so freundlich, wenn sie mir meinen Kaffee gebracht hat. Einmal habe ich ihr erzählt, dass ich nach Ischl zu meiner Mutter fahre. Und sie hat mir erzählt, dass ihre Mutter schon tot ist. Und dass sie aus Schwerin kommt und Heimweh hat, besonders vor Weihnachten. Der andere Kellner hat das nicht gern gesehen, wenn wir uns unterhalten haben, das habe ich sehr wohl bemerkt. Und deshalb habe ich sie dann einmal zum Essen eingeladen, ganz spontan. Und dann …« Er verstummte wieder.
Und weil die Suse so eine Nette, Liebenswerte war, hast du ihr zuerst ein Kind angehängt und sie dann umgebracht, dachte Pestallozzi. Aber das sprach er natürlich nicht aus. Stattdessen sagte er: »Aber es war doch gar nicht Ihr Tag, um nach Ischl zu fahren, oder, als Sie die Susanne Kajewski zum letzten Mal getroffen haben?«
Steinfeldt wirkte irgendwie aus dem Konzept gebracht. »Nein, allerdings nicht. Aber Susi, äh, ich meine Frau Kajewski, hat schon bei unserem letzten Treffen so seltsame Andeutungen gemacht. Dass unsere Beziehung eine völlig neue Wendung nehmen könnte. Ich habe das natürlich nicht ernst genommen, aber später, zu Hause ist mir dieses Gerede einfach nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt sowieso schon die allerärgsten Gewissensbisse meiner Familie gegenüber. Und da habe ich ein Zeitfenster genutzt, um bei ihr vorbeizuschauen. Ich wollte reinen Tisch machen und diese unglückselige Affäre, in die wir da beide hineingestolpert waren, beenden. In bestem Einvernehmen natürlich. Frau Kajewski hat mir von dieser Gemeindeversammlung erzählt, zu der sie gehen wollte. Ich habe nachher auf sie gewartet, kurz vor der Abzweigung zu ihrem Wohnhaus, da ist eine Busstation, und dahinter habe ich geparkt. Ich habe gesehen, wie Frau Kajewski aus einem Passat ausgestiegen ist und den Weg runtergehen wollte. Also bin ich ihr nachgefahren, und sie ist zu mir ins Auto gestiegen. Aber ich wollte auf keinen Fall mit ihr in diese Wohnung gehen, die sie mit einer Kollegin gemietet hat. Gehabt hat, meine ich.« Er verstummte wieder.
»Weiter«, sagte Pestallozzi sanft.
»Dann …« Steinfeldt schien angestrengt nachzudenken, gleich würde er auf Filmriss plädieren. Aber dann entschloss er sich doch, weiterzureden. »Wir sind zum Bad unten am See gefahren, die Susi hat gesagt, dass dort jetzt garantiert niemand ist. Und dass wir ungestört sind. Weil sie mir etwas ganz Wichtiges sagen muss.«
»Und dann hat sie Ihnen gesagt, dass sie schwanger ist.«
Steinfeldt nickte. »Ich habe zuerst geglaubt, ich höre nicht recht. Das war wie in einem schlechten Film. Ich meine, man kann doch heutzutage annehmen, dass eine moderne junge Frau Vorkehrungen trifft! Oder etwa nicht?« Er sah die beiden Polizisten Zustimmung heischend an, aber die reagierten nicht. Nur Leo zog den Rotz hoch.
»Ich habe dann sofort angeboten, dass ich für alles aufkomme. Für eine Abtreibung, meine ich. Ich wollte doch nicht, dass sich diese junge Frau ihr ganzes Leben verbaut.«
»Sehr anständig von Ihnen.«
»Nicht wahr? Sehen Sie das auch so? Aber sie ist plötzlich total ausgerastet! Und hat zum Herumschreien begonnen! Dass sie offenbar wieder nur für das eine gut genug war, sie hat da ein sehr hässliches Wort verwendet, und dass sie sich nicht so abspeisen lässt. Und wenn ich nicht auf ihre Bedingungen eingehe, dann würde sie alles meiner Frau erzählen. Es war wie ein Albtraum. Sie hat dann eine völlig absurde Summe genannt, für die sie eventuell mit sich reden ließe. Ich habe ihr gesagt, dass ich mich nicht erpressen lasse und sie sich einen anderen Dummen suchen soll. Daraufhin hat sie sich umgedreht, wir sind da nämlich unten am Wasser gestanden, und wollte davonrennen. Sie ist dann gestolpert. Ich
Weitere Kostenlose Bücher