Kalter Weihrauch - Roman
verzeihend zu.
Clemens Woratschek funkelte Grabner und Pestallozzi an: »Wenn man sich mir gegenüber kooperativer verhalten hätte, dann wäre es nicht zu dieser Unstimmigkeit in meiner Theorie gekommen. Dann hätte ich ganz bestimmt schon von Beginn an …«
Pestallozzis Handy vibrierte in der Sakkotasche, er holte es so diskret wie möglich hervor und warf einen Blick darauf. Henriette, Schmach und Schande. Er hätte sich natürlich längst schon bei ihr melden müssen, egal wie es mit ihnen beiden weitergehen würde. Alles andere war unhöfliches Machogehabe, das wusste jeder Mann. Aber die Verhaftung von Steinfeldt hatte einfach all sein Denken gebündelt. Heute noch würde er zurückrufen. Oder allerspätestens morgen. Er steckte das Handy wieder in die Sakkotasche und wandte sich Woratschek, der inzwischen ungebremst weiterschwadronierte, mit seinem sanftesten Blick zu.
»… eine absolut unprofessionelle Vorgangsweise, wenn Sie mir diese Bemerkung gestatten.« Woratschek hatte mittlerweile einen richtig roten Kopf bekommen. »Andere Abteilungen wissen meine Unterstützung sehr wohl zu schätzen und sind damit auch höchst erfolgreich. Nur hier …«
»Na na, Kollege Woratschek, jetzt wollen wir aber die Kirche im Dorf lassen, nicht wahr?« Der alte Grabner konnte überraschend machtbewusst lospoltern, das hatten sie alle schon erlebt, nur der Woratschek noch nicht. Pestallozzi unterdrückte ein Grinsen.
»Immerhin habe ich Ihnen sogar einen eigenen Schreibtisch zuweisen lassen, damit Sie sich hier bei uns vor Ort in die Ermittlungen einklinken können. Und was ist dabei herausgekommen? Wenn Kollege Pestallozzi Ihre abstruse Einmanntheorie weiterverfolgt hätte, wäre dieser Steinfeldt gar nicht erst in Verdacht geraten, und wir hätten noch immer zwei unaufgeklärte Fälle. Zwei! Also wollen wir hier nicht zu sehr auf den Putz hauen, Herr Doktor Woratschek, nicht wahr?«
Grabner lehnte sich zurück und schnaufte. Sein Zorn verrauchte zum Glück genauso schnell, wie er hochflackerte, allerdings wusste auch das der Woratschek noch nicht. Der saß da und schluckte hörbar, Pestallozzi empfand beinahe Mitleid. Er hatte es sein ganzes Leben lang gehasst, wenn in seiner Gegenwart Menschen zusammengestaucht wurden. Schon in der Schule. Und später dann beim Bundesheer, sämtliche Schwulenhasser des Landes schienen dort Unterschlupf gefunden zu haben, er hatte übelste Schimpftiraden miterleben müssen. Und selbst wenn es ein Ekel wie den Woratschek traf, verabscheute er eine solche Szene.
»Wir sollten vielleicht weitermachen.« Pestallozzi sah Grabner an.
»Ausgezeichnete Idee! Damit wir diesen scheußlichen Fall noch vor Weihnachten vom Tisch haben! Kollege Pestallozzi, Sie werden den Kollegen Woratschek mit allen notwendigen Informationen versorgen und bestmöglich unterstützen, ist das klar? Ich möchte keine Beschwerden mehr hören, von keiner Seite! So, das wär’s. An die Arbeit, meine Herren!«
Grabner wedelte eine unsichtbare Mücke fort, Woratschek erhob sich steif und stelzte zur Tür hinaus. Pestallozzi folgte ihm. Draußen blieben sie stehen, zwei Kollegen gingen vorbei und beäugten sie diskret aus den Augenwinkeln.
»Haben Sie vielleicht Zeit für ein Gespräch?«, fragte Pestallozzi, diese höfliche Floskel schien ihm in diesem Moment einfach unumgänglich.
»Bedaure, nein. Aber Sie können mir Ihre Unterlagen gern auf den Schreibtisch legen.« Woratschek war wieder ganz der Alte. Ein Ungustl vom Scheitel bis zur Sohle. Auch recht. Pestallozzi blickte ihm nach, wie er im Zimmer vom Quendler verschwand. Dann stand er da und kratzte sich am Ohr. Und jetzt? Seine Eroberung anrufen? Welche Eroberung, bitteschön? Die Henriette Gleinegg hatte ihn abgeschleppt, aber hallo! Oder wollte er sich mit dieser Version nur aus der Verantwortung stehlen? Welche Verantwortung denn? Sie hatten beide ihren Spaß gehabt, und nicht zu knapp, ihm wurde jetzt noch heiß, wenn er an manche Momente dachte. Also weshalb …
»Na, hat euch der Grabner zusammengefaltet, dich und den Woratschek? Oder seid’s am Ende gar das neue Dreamteam?« Der Habringer war stehen geblieben und grinste ihn an, aber auf eine nette Art. Pestallozzi grinste schief zurück. »Das hat sich ja schnell herumgesprochen.«
Der Habringer senkte die Stimme. »Weißt eh, Artur, wir stehen hinter dir. Und sonst, wie läuft’s sonst? Das mit dem Steinfeldt war ja eine runde Sache. Aber wie kommst mit den Betschwestern
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