Kalter Zwilling
Nolden nicht so einfach davonkommen lassen. Er sah den Holzverschlag vor sich, aus dem der bucklige Gilig die schweren Säcke geholt hatte. Schon damals war es Bastian vorgekommen, als hätte er etwas Offensichtliches übersehen. Aber das innere Bild verschwamm, bevor er es greifen konnte. Er klopfte Bruder Anselmus auf die Schulter. »Ihr habt recht. Die St.-Sebastianus-Bruderschaft beauftragt den Buckligen mit Botendiensten. Ich bin bisher allerdings davon ausgegangen, dass es sich um Zutaten für die Herstellung von Wein handelt. Zumindest roch der Holzverschlag, vor dem wir Gilig gestellt haben, stark danach.« Bastian biss sich nachdenklich auf die Lippen. »Auf der anderen Seite habe ich Gilig selbst bei der Verschiffung der Münzen beobachtet. Ich kann nicht ausschließen, dass Reinhard Nolden sein Auftraggeber war.«
Pfarrer Johannes erhob sich. »Wir müssen zurück nach Zons! Dort werden wir die Lösung finden. Alle Fragen, die wir Bruder Anselmus gestellt haben, sind fürs Erste beantwortet.«
Bastian nickte. Johannes hatte recht. Er musste noch einmal mit Gilig sprechen. Den Bruderältesten würde er von Wernhart beschatten lassen und er musste herausfinden, wem das Schiff mit den Münzen gehörte. Der Kapitän könnte ihm sicherlich den Bestimmungsort der gefälschten Goldgulden und vielleicht sogar den Namen des Abnehmers verraten. Der Schmied war sicher in die Münzfälschung verstrickt gewesen. Wahrscheinlich war dies auch der Grund für seine Ermordung. Er wusste einfach zu viel.
Sie verabschiedeten sich herzlich von Bruder Anselmus und trugen ihm auf, sich zu schonen. Kurz vor Mitternacht erreichten sie Zons. Der Vollmond schien hell über dem friedlichen Städtchen. Am Ende der Schloßstraße konnte Bastian den Nachtwächter sehen. Er war eine mächtige Erscheinung, die mit ihrer Laterne fast einem Dämon glich, der durch die Gassen schwebte. Bastian merkte, wie die Müdigkeit in seine Knochen kroch. Für einen winzigen Moment fielen ihm die Augenlider zu. Er hörte nur noch den Hufschlag der Pferde und den schweren Atem von Pfarrer Johannes. Gerade als er die Augen wieder öffnete, huschte ein Schatten vor dem Nachtwächter vorüber. Dieser bog im selben Augenblick in die Grünewaldstraße ab, sodass der Schatten nur schemenhaft und für einen Wimpernschlag von der Laterne angestrahlt wurde. Bastian hätte ihn fast übersehen. Instinktiv gab er seinem Pferd die Sporen und ließ den verwirrten Johannes hinter sich.
Tatsächlich! Eine humpelnde Gestalt versuchte eilig, sich im Schatten der Häuserwände zu verbergen. In Windeseile ritt Bastian auf den Umriss zu und verstellte ihm den Weg. Er zog sein Schwert und sprang vom Pferd.
»Wer seid Ihr und wo wollt Ihr zu so später Stunde hin?« Die Antwort musste Bastian gar nicht abwarten. Giligs verkümmerter Wuchs war auch in der Dunkelheit unverkennbar. Der Bucklige stotterte Unverständliches. Offensichtlich war er erschrocken und hatte Angst, doch Bastian kümmerte das wenig. Diesmal würde er sich nicht so einfach abweisen lassen. Mit seinen kräftigen Armen drückte er Gilig gegen die Häuserwand.
»Sagt mir die Wahrheit. Habt Ihr den Schmied Matthias Honrath auf dem Gewissen?«
Der Bucklige schüttelte panisch den Kopf. Bastian drückte die flache Seite seines Schwertes gegen Giligs Kehle und schnürte ihm so die Luft ab. »Überlegt Euch die Antwort gut. Ich bin heute Nacht nicht zum Scherzen aufgelegt.« Er drückte noch weiter zu. Der faulige Atem aus Giligs Mund schlug Bastian übel ins Gesicht, doch er rückte keinen Zentimeter ab.
»Nein, nein ...«, stotterte der Bucklige hilflos. »Ich war es nicht.«
Bastians Geduld war am Ende. Er griff dem stammelnden Mann in die Haare und riss seinen Kopf in den Nacken. Die Klinge seines Schwertes blitzte kurz auf, bevor er sie diesmal mit der scharfen Seite an Giligs Kehle ansetzte. »Ich töte Euch noch heute Nacht, wenn Ihr mich belügt. Wo habt Ihr die Münzen versteckt?«
Wieder murmelte der Bucklige etwas Unverständliches. Bastian lockerte seinen Griff, um ihn besser zu verstehen.
»Haltet ein, mein Junge!« Pfarrer Johannes hievte sich völlig außer Atem vom Pferd. »Ihr könnt ihm nicht einfach die Kehle durchschneiden.«
Johannes‘ Appell prallte an Bastian ab. »Gilig wollte uns gerade etwas verraten«, stieß er mühsam hervor.
»Die Münzen sind im Lager. Ich zeige sie Euch, aber bitte tut mir nichts!« Giligs verzweifeltes Kreischen brachte Bastian zur Vernunft. Ohne
Weitere Kostenlose Bücher