Kalter Zwilling
Schulter. Bastian erstarrte, es war die Hand einer Frau. Er drehte sich um und ein weiteres Paar grüner Augen blickte ihn an. Anna!
XII.
Gegenwart
Grüne Augen in einem blassen Gesicht bannten Emilys Blick, während sie versuchte, sich auf die Worte des Professors zu konzentrieren. Ein großer Stapel von Kopien lag auf seinem Schreibtisch. Anna hatte gemeinsam mit Emily das halbe Stadtarchiv auf den Kopf gestellt. Bastian Mühlenberg war vor über fünfhundert Jahren, bei der Suche nach dem Mörder des Zonser Schmiedes, auf eine Münzfälscherbande gestoßen. Er hatte, wie bei jedem Mord, den er analysierte, Notizen angefertigt. Leider waren sie diesmal nicht ganz so umfangreich wie bei vorangegangenen Serienmorden. Erstaunlicherweise hatte er große Teile seiner Aufzeichnungen unkenntlich gemacht. Dicke Tintenkleckse und Linien verwehrten dem Leser den Blick auf seine Gedanken. Es war, als wollte er im Nachhinein seine Geschichte geheim halten. Selbst Emilys Freundin Anna konnte sich diesmal keinen Reim darauf machen. Wenigstens waren die Taten selbst und die aufgefundenen Opfer relativ detailliert beschrieben. Emily war gespannt, ob Professor Morgenstern damit etwas anfangen konnte.
»Hören Sie mir überhaupt zu?«
Der Satz drang nur langsam zu ihr durch. Emily brauchte einige Sekunden, um den Sinn zu verstehen und ihre Gedanken zu ordnen. »Ja, natürlich.« Sie zwinkerte ein paar Mal. »Ich muss mich entschuldigen. Ich kann einfach nicht glauben, dass Adrian Helmhold so gefährlich ist, wie Sie ihn geschildert haben.«
Professor Morgenstern zog das Foto zu sich heran und betrachtete es. »Sein Äußeres scheint Sie ja sehr zu faszinieren.« Er blickte sie durchdringend an. Emily schlug die Augen nieder. Der Professor machte sie auf eine unheimliche Art nervös. Hinter seinen Augen verbargen sich Geheimnisse. Dessen war sie sich plötzlich ganz sicher.
»Ich finde, er sieht so unschuldig aus. In seinem Gesicht kann man keine Falten erkennen, die sich sonst in die Haut eingraben. Ich denke da an die Zornesfalte zwischen den Augenbrauen oder heruntergezogene Mundwinkel.«
Professor Morgenstern grinste sie an und legte eine Hand auf ihren Unterarm. Kaum merklich zuckte Emily zusammen. Seine Berührung war wie ein Stromschlag. Er löste die rote Alarmlampe in ihrem Inneren aus. Sie wünschte sich, dass Anna bei ihr wäre. Doch die musste heute arbeiten.
»Worüber wollen wir uns unterhalten? Über Adrian Helmhold oder über einen historischen Psychopathen?« Professor Morgenstern machte eine Pause und nahm seine Hand betont langsam von ihrem Unterarm. Emily kam sich vor wie in einem Verhör. Ihre Gefühle schwankten zwischen Unbehagen und Neugier.
»Ich sollte mich wirklich mehr konzentrieren, nicht wahr?« Sie versuchte, dem Blick des Professors standzuhalten. »Denken Sie, dass der Schmied, Matthias Honrath, von einem Psychopathen ermordet wurde?«
Professor Morgenstern blätterte durch die Unterlagen. »Ich denke, dass zumindest zwei der hier beschriebenen Fälle von ein und demselben Täter ausgeführt wurden.«
Emilys ganzer Körper spannte sich merklich an. »Sie meinen das verbrannte Bettelweib und den Schmied?«
Der Professor schüttelte den Kopf. »Nein, ich meine die abgetrennten Finger des Knaben Tilmann und den Schmied.« Er breitete die Blätter vor ihr aus.
»Sehen Sie hier. Unser Täter beginnt mit Kleinigkeiten. Vor dem Krötschenturm wurden immer wieder Tierreste gefunden. Kurze Zeit darauf passierte das Unglück mit den Fingern des Knaben und dann haben wir unsere erste Leiche. Das ist ein typisches Muster. Der Täter entwickelt seine grausamen Fantasien und die Methoden, um diese zu befriedigen, immer weiter. Ein Psychopath liebt Kontrolle und Macht. Er tötet seine Opfer meist nicht sofort, weil er sie kontrollieren will. Er fügt ihnen Verletzungen zu, die zunächst nur Schmerzen bereiten, jedoch nicht lebensgefährlich sind. Die abgetrennten Finger sind für mich ein typisches Zeichen. Auch die Leiche des Schmiedes wies verschiedene Verletzungen auf. Er hatte Würgemale am Körper, war zur besseren Kontrolle gefesselt und die Leiche wies diverse Schnittwunden auf.«
Er blätterte weiter in den Unterlagen. »Ob das verbrannte Bettelweib demselben Täter zum Opfer fiel, weiß ich nicht. Das Einzige, was darauf hindeutet, sind die vielen Hundewelpen, die in der verbrannten Hütte gefunden wurden. Dies spricht wiederum für ein psychopathisches Profil. Ich könnte
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